21.04.2010 (k) Shirahama – Kawayu Hot Spring: 70 km, 850 Hm
Da hat sich doch der gestrige Blick ins Internet auf die Wetterseite gelohnt: Die Sonne findet ihren Weg über die Hügel und durch die Wolken, wir können heute also doch radeln! Fröhlich machen wir uns vom Acker, frühstücken am Shirahama Strand, der berühmt ist für seinen feinen, hellen Quarzsand und einen Eindruck von Australien erweckt. Das kommt auch nicht von ungefähr, denn der schöne eigene Sand wurde schon lange weggewaschen und neuer von „Down under“ importiert. Die Arbeiten sind in vollem Gange: Bagger schaufeln Sand von hier nach dort, Gefährte, die an Spurgeräte in Knottenried erinnern machen die Haufen plan. Das Meer schimmert türkis und weiße Spitzen sitzen wie Zuckerguss auf den Wellen. Unser Weg führt uns ins Landesinnere der Halbinsel Kii Hanto mit dem Ziel der Onsen-Region um Hongu. Es ist leicht schwül und daher nicht gerade angenehm, aber warm. Die gewählte Straße 219 ist, wie erhofft, kaum befahren und anfangs noch sehr gut ausgebaut. Immer leicht flussaufwärts treten wir am Tonda River vor uns hin, bis wir das Haupttal verlassen und in die grüne Lunge eintauchen. Die Hügel und Berge um uns sind mit Pflanzen zugewuchert. Als Blicke man auf einen Haufen überdimensionaler, in Grüntöne gefärbte Blumenkohlköpfe. Es gibt noch so eine Mischung aus Blumenkohl und Brokkoli, dessen Name mir gerade nicht einfällt, aber genau so sieht es hier aus. Die Straße rampt sich steil nach oben, bis sie auf 300 Metern in einem kurzen Tunnel verschwindet, worüber wir ob der Anstrengung sehr froh sind. Die kurze Abfahrt ins Tal ermöglicht Erholung und ein kleiner Schrein, der am Wegesrand in der Sonne glänzt, bietet sich für einen Currynudelstopp an. An einem Taleinschnitt wechseln wir Fluss und Tal. Es geht nun den nicht weniger malerischen Yasukawa River hinauf. Wir sind so gut wie allein auf der Straße, die mittlerweile typisch für Nebenstraßen in Japan, die Größe eines besser ausgebauten Radwegs eingenommen hat. Einzige Gefahr sind die wenigen Autos, dessen Fahrer auch der Meinung sind, dass sie hier alleine sind und die, trotz der angebrachten Spiegel in jeder Kurve, die enge Linie fahren (wahrscheinlich fallen Radler im Spiegel nicht auf). Das kommt aber Gott sei Dank nur einmal vor und so können wir die Fahrt durch diese herrliche Gegend wirklich genießen. Bis auf 600 Meter schraubt sich der Teerweg hinauf, um uns herum nur Grün, Grün, Grün – ab und an ein vermooster, verwunschener Tempel mit Steinfiguren im Häkeldress und der rauschende, glasklare Gebirgsfluss. Oben schluckt uns wieder eine schwarze, enge Röhre, die uns nach wenigen hundert Metern auf der anderen Seite des Passes (der wohl gar nicht existiert) wieder ausspuckt. Kurz darauf folgt die Überraschung: der Teer ist zu Ende. Gestern erst haben wir noch darüber geredet, dass hier wohl kaum noch eine ungeteerte Straße zu finden ist, und nun stehen wir auf einer Strecke, die man wohl bei uns zu Hause als Traum-Mountainbikeroute bezeichnen würde. Die nächsten 15 Kilometer rotteln wir durch die Oto Schlucht, an ebendiesem Fluss entlang. Aber was heißt entlang. Der Oto liegt gut 100 Meter unter uns, und windet sich wie ein Wurm um jeden Hügel, den er in den letzten paar Millionen Jahren zu umspülen geschafft hat. Langsam nähern wir uns ihm an. Wenn man nicht vorsichtig fährt, könnte das auch schneller der Fall sein, denn seitliche Begrenzung gibt es meist keine. Es ist unbeschreiblich toll. Ein Großteil des Weges ist noch vom gestrigen Regentag nass, von der Seite schießen Wasserfälle und Sturzbäche hinab, als würden sie stolz verkünden wollen: ja, ich trage auch meinen Teil zur Schlucht bei! In den zahlreichen Naturtunneln, die wir durchfahren, tropft es ohne Unterlass. An einem Regentag, da sind wir uns einig, möchten wir uns nicht an dieser Stelle der Welt befinden. Jetzt aber ist es einfach nur toll. Das frische Grün der Pflanzen, die sich gerade entschlossen haben, sich der Welt für dieses Jahr zu öffnen, blendet beinahe. Im späten Nachmittagslicht laden ein Wasserfall und ein daneben stehender Schrein zu einer Fotosession ein. Wenige Kilometer und ein kleines, malerisch gelegenes Dorf später haben wir unser Ziel erreicht: die heißen Quellen von Kawayu. Vulkangestein durchzieht die Region und führt zu dem lustigen Effekt, dass man mitten im Flussbett des Oto heiße Quellen findet. Man kann sie sich selbst im Kies bauen und dann zwischen dem heißen Pool und dem kühleren Fluss hin- und herwechseln. Eine Quelle ist sogar zu einem kleinen „Open Air Onsen“ eingefasst. Eine kurze Bambuswand schützt nur bedingt vor der Tatsache, dass man hier splitternackt inmitten des Dorfes herumspringt, aber das macht im Onsenland ja auch nichts. Oberhalb des Onsen liegt wie für uns gemacht eine kleine Wiese mit Bänken und ein modernes Toilettengebäude. Klar, dass wir hier bleiben! Ich geselle mich sogleich in den Onsen zu einem Japaner, der gerade auf der Rückfahrt von der Arbeit ist, und hier noch kurz entspannt. Dann kochen wir Spaghetti, kaufen Eis im Automaten und warten, bis gegen 21 Uhr keiner mehr im Onsen herumlungert und nehmen noch ein privates Bad zu zweit. Genial. Da sitzt man in einer Badewanne im Flussbett eines Dorfes mitten in Japan. Lustig! Schön gewärmt kriechen wir in unser noch trockenes Zelt. Doch uns ist schon klar, dass dies leider nicht so bleiben wird, denn für morgen liegt die Regenwahrscheinlichkeit bei 70%.