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Winterschlafvarianten

von sabbatradler
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Ein riesengroßes Altersheim – Über-Winter-Van-Life pur

Sie heißen „Charisma“, „Prestige“, „Diamond Series“ oder „Flair“, „Vagabond“, „Centurion“ oder „Empire Liner“ und haben doch vor allem eines gemein: Sie sind potthässlich. Luxusreisemobile oder liebevoll auch Land-Yachten genannt. Glänzend und riesig verdecken sie in den Buchten ab Alméria sich gegenseitig den Blick aufs Meer oder stehen so frei und ungezügelt herum, als habe der liebe Gott mal wieder seine Spielzeugautos nicht ordentlich aufgeräumt.

Manch einer hat aber auch nur ein ganz kleines, bescheidenes, wendiges Wohnmobil:

Zwischen den Luxuslinern mit bis zu 4 Metern Höhe, 12 Metern Länge und 25 Tonnen Gesamtgewicht wirkt ein profaner VW-Bus für 90 000 Euro wie ein Schnäppchen auf verlorenem Posten. 300 000 Euro ist ein mittlerer Preis für so ein Einfamilienhaus mit Tiefgarage (Smart oder kleiner Porsche muss natürlich dabei sein – von eigener Waschmaschine und Trockner ganz zu schweigen), man kann auch Modelle für 730 000 Euro finden. Und weil man verständlicherweise mit so einem Gerät auch gar nicht mehr so viel und praktisch herumfahren kann, stellt man sich am besten den ganzen Winter in der Nähe einer Autobahnabfahrt (die hier nie allzu weit weg ist) in eine Bucht. Und? Überwintert. Praktisch ist es dann aber schon, wenn man im Anhänger oder im hinteren Laderaum einen Mini oder einen Smart dabei hat.

Zwischen Almería und Alicante scheint das „wilde“ Stehen wohl auch niemanden zu stören (mit niemanden meine ich die Behörden/Polizei; am Anblick stört sich bestimmt jemand), zumindest im Winter. Im Bezirk Valencia haben wir den Eindruck, ist das Wild-Stehen nicht mehr so gern gesehen oder wird vielleicht auch geahndet. So, dass die Schilder auch eine Bedeutung haben. Aber das ist nur eine Vermutung, eine subjektive Beobachtung von uns.

Wer nicht einfach so herumstehen möchte oder Glück hat, weil er einen Platz bekommen hat, steht auf einem der zum Teil sehr großen Campingplätze. An deren Rezeptionen vom greisen Kunden selbstverständlich erwartet wird, dass das Gespräch zur Jahresabrechnung im fließenden Deutsch (mit Unterformen Schwäbisch, Sächsich o.a.) abgehalten werden kann. Der ersten Freude darüber, dass die Campingplätze hier im Gebiet alle ganzjährig geöffnet haben, folgte ein zweifelndes Hoffen, ob wir denn einen Platz für die Nacht bekämen. Wir bekamen immer einen. Entweder gab es für 25 Euro eine so kleine Ecke, dass ein „Empire Liner“ vielleicht sein linkes Hinterrad hätte abstellen können, oder aber unser kleines Zelt stand auf einer 120 qm Comfort-Parcela verloren auf dem kiesigen Boden.

Den Preis für die kitschigste Weihnachtsdekoration verdienten auf jeden Fall die Skandinavier – allen voran die Schweden.

Den Preis für die dicksten Autos, na wer wohl? Die Deutschen und den Preis für die freundlichsten Campingnachbarn verliehen wir den Briten. Auf den Punkt brachte es Anneliese aus Hannvorer (Ort und Name v.d. Redaktion geändert) auf dem Campingplatz in Bolnuevo: Die meisten blieben bis 1. April. Das warme Klima sei ja gut für die Knochen, man kenne sich „und wissen Sie: Im Grunde ist das Ganze ja ein riesengroßes Altersheim!“

Ja, und in so einem Altersheim ist die Entschlüsselung seltsamer Toiletten-Icons auch nicht mehr so leicht. Daher müssen sie extra nochmal durch Verbots-Icons ergänzt werden. Vielleicht zu viel Peniscola getrunken? ;-)

Winterschlaf im Wohn((alp)t)raumgebiet

An rollendem Wohnraum mangelte es also in der Region nicht. Doch noch mehr Wohnraum steht in dieser Region nicht auf Rädern: Ferienhäuser und -wohnungen. Die Orte, die wir zwischen Almería und Tarragona durchfahren, wechseln zwischen echten, gewachsenen Orten und Urbanisationen. Sucht man im Internet nach „Urbanisation + spanische Mittelmeerküste*, so bekommt man eine große Auswahl an Immobilienfirmen, bei denen man sich ein Häuschen in einer Feriensiedlung aussuchen könnte. Eine Urbanisation ist eine Wohnsiedlung (oft auch Aussiedlersiedlung) außerhalb der gewachsenen Infrastruktur. Es handelt sich um ein Areal mit sehr vielen (in der Regel) identisch ausgestalteten Bungalows, Häusern oder Doppelhaushälften.

Meistens baut und entwickelt ein Bauträger und dann werden die Ferienhäuser an Privatpersonen verkauft. Oft werden solche Urbanisationen nahezu ausschließlich von Touristen bewohnt. Da die meisten von ihnen oft nur im Sommer da sind, wirkten sie auf uns sehr „lost“ – ausgestorben. Das gilt natürlich auch für Regionen mit großen Hotels.

Viele der Häuser gehören Briten, sie machen wohl einen großen Teil der immobilienbesitzenden Rentner in Südspanien aus. Dementsprechend findet sich auch eine angepasste Infrastruktur mit englischen Pubs, die britische Speisen zubereiten. Mit Fish&Chips und AppleCrumble kamen wir eine Tagesetappe nach Cartagena erstaunlich ehrlich und gut durch den Abend, nachdem wir vergeblich die schachbrettartige Siedlung kilometerlang hin und her abgefahren waren, auf der Suche nach etwas Essbarem. Eine Britin im sehr gesetzten Alter saß am Nebentisch und betonte in britischen Superlativen, wie gut diese Küche und Speisekarte hier sei. Sie hatte nicht Unrecht. Ich stellte mir vor, wie es sein müsste, jetzt hier als Rentnerin allein zu wohnen. Wäre nichts für mich. Die meisten Häuser stehen leer, alle Cafés und Restaurants oder Shops, die mit Sommerurlaub zu tun haben, sind geschlossen und man sitzt dann in seinem Wohntraum allein auf kilometerlanger Flur zwischen lauter ungenutztem Wohnraum. Während die Obdachlosen sich in die Hauseingänge der Städte zwängen, sind allein an dieser spanischen Küste aber-hunderttausende Quadratmeter Wohnraum einen großen Teil des Jahres Leerstand. Dieses Dilemma lässt sich nicht auflösen, doch man kommt schon ins Nachdenken, wenn man durch diese Konglomerate von Totraum fährt und nur hier und dort ein Lebenszeichen zu sehen ist. (Anmerkung d. Redaktion: ein leerer Wohn(t)raum steht übrigens auch gerade zu Hause im Allgäu, also keine Doppelmoral hier, gell!). Und auch nicht alle Auswanderer sind glücklich in so einer Urbanisation, wie dieser Bericht hier schildert.

Wer aber einen Hähnchenkönig in der Nähe hat, der darf sich glücklich schätzen:

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