28.08.2011 (k) Campomarino – Roccavivara: km Hm
Zum Frühstück werfe ich gleich ein paar antibiotische Drogen ein, damit der – vermutlich an der Sinti und Roma Quelle oberhalb von Kotor eingefangene Darmkeim sich verdickisiert. Ist nötig, damit wir heute gemeinsam starten können. Die frische Meeresbrise wirft sogar richtige Wellen an den Strand, da vergnügen wir uns noch ein Weilchen im kühlen Nass. weil’s grad so Spaß macht und wir ja nicht wissen, wann wir das Meer, dem wir heute den Rücken zukehren werden, wohl mal wieder sehen werden. Bis wir Campomarino über den unsäglichen „Euro-Spin“ endgültig verlassen ist es halb zwölf und die Hitze hat schon wieder ihren ersten Höhepunkt des Tages erreicht. Wir freuen uns auf die Berge und erhoffen uns ein wenig Kühlung durch Höhe. Gut 15 Kilometer weiter beginnt, nachdem wir eine kleine Industriezone seitlich liegen lassen, der Radelspaß. über Guglionesi schrauben wir uns die ersten Hügel hinauf und sind bereits vom Rundumblick begeistert: auf jedem umliegenden Hügel thront ein Dörflein – wie in Sahnehäubchen auf einer Geburtstagstorte. Malerisch, würde nicht nur der Maler sagen. Gerade noch zur Mittagessenszeit – kurz vor 14 Uhr – durchfahren wir ein ausgestorben daliegendes Dorf: Montecilfone. Molle erkundigt sich in einer Pizzeria, ob es etwas zu essen gibt, und wird ein paar Häuser weiter verwiesen: dort gäbe es etwas – „lecker“, deutet das Fingerbohren in der Backe des Italieners an. Ein paar Worte sind an die Tür eines unscheinbaren Eckhauses gemalt – wir öffnen und landen im kleinen Gastraum des „…“. Keine 18 Plätze befinden sich in dem knapp 20 Quadratmeter Raum, vier davon sind bereits besetzt, die Tische voller Insignien eines umfangreichen italienischen Mahls, die Auswahl an Amari – Limoncello und Grappa – steht zur Verkostung bereit. Molle hat bereits abgeklärt, dass wir noch etwas bekommen und so bestellen wir quer durch die Auswahl Pasta, die ihresgleichen in Europa sucht: Molle hat hausgemachte „Schnicknudeln“ mit Sugo con Salami de la Casa – das Hauptgeschäft unserers Gastgebers und Kochs ist nämlich die 50 Meter entfernte Salumeria! Tina bekommt trotzdem vegetarische Orchiette und ich habe endlich wieder Appetit und genieße die Rigatoni Melanzane, während Matthias mit Tagliatelle mit Lamm glücklich wird. Molles Augen leuchten – endlich haben wir das Italien gefunden, von dem er die letzen Wochen gesprochen hat, worauf er hingefiebert hat. Liebe geht durch den Magen. Italien – wir lieben dich! Ach ja, wir müssen unbedingt den Wein probieren?! Selbstgemacht, wer kann da widersprechen? Doch wir haben noch so viele Kilometer vor uns, es ist unmöglich.Ffür 3 Euro packe ich eine Flasche des guten roten Tropfens in meine Packtasche. Heute Abend, versprochen! Zufrieden treten wir nach einer Stunde wieder hinaus in die Hitze, nicht ohne noch einen Blick auf den Gourmetführer geworfen zu haben, in dem … lobend erwähnt ist. Na, da sind wir ja gleich mal richtig abgestiegen! Als wir mit den Rädern in die benachbarte Bar rollen zieht … hinter uns den Rolladen zu. Jetzt würde aber wirklich niemand mehr ein Restaurant hier vermuten!
Mit dem Café macchiato vom deutschsprechenden, aber mundfaulen Barkeeper gestärkt, fällt die Weiterfahrt leicht. Die weitere Strecke verläuft hügelig. Die Aussicht zum Meer verschwimmt zunehmend im Dunst, dafür lassen sich schon die hohen Berge der Abruzzen erahnen. Noch viel mehr als sehen, hören wir die Berge bereits rufen. Und wir rufen zurück: juchu, wir kommen!! Am späten Nachmittag erreichen wir Castelmauro, das sich eng und langgezogen an einen schattigen, waldigen Berghang klammert. Die Menschen haben sich wieder aus ihren Häusern herausbewegt, die Bars und Kneipen sind gefüllt, alte Männlein sitzen auf den Bänken und sehen dem Kinderwagenschieben der jungen Mamis zu. Eine Bar lädt zu einem Lemonsodastopp ein. Nach einiger Zeit ergibt sich ein Gespräch mit ein paar Männern. Einer taut auf, als er mitbekommt, dass wir aus Deutschland sind: er hat 18 Jahre in Solingen gearbeitet. Hier oberhalb sei ein Albergo – wunderschön gelegen, es sähe aus, „wie im Schwarzwald“. Wir zeigen auf der Karte, wohin wir heute noch wollen und bekommen einen Tipp. In Roccavivara gäbe es „Agriturismo“: „esse, schlafe, nich so viel bezahle!“ – na wenn das mal keine Perspektive ist. Nichts wie hin, da sind wir uns einig. Die paar hundert Höhenmeter packen wir gerade auch noch. Der untergehenden Sonne entgegen, die immer noch genug Kraft hat, unsere Schweißporen zu öffnen, kämpfen wir uns 13 Kilometer steile Rampen hinauf, durch eine „area de Picnic“. Wären auch nette Zeltplätzchen hier oben, doch das „esse, schlafe, nich so viel bezahle“ reizt uns schon sehr. Im Bergort angekommen holt Tina die ultimative Anleitung vom Chef eines der ansässigen „Agriturismi“ (seines ist allerdings voll bzw. will er wahrscheinlich keine Zelter) und einem jungen Mann, der auf Englisch übersetzt, ein: „downstairs, downstairs, downstairs, 5km …prato delle ulivi!“ So brausen wir hinab, bekommen dabei auch Schweißausbrüche, weil wir nicht wissen, wie weit und ob wir schon am gesuchten Ort vorbeigefahren sind. Aber einfach so ein Privatsträßchen in Richtung ein paar bellender Hunde hineinzufahren ist auch nicht der beste Plan. Endlich entdecken wir den Wegweiser in einer Kurve. Ein paar hundert Meter steilen Schotter weiter oben haben wir unser Ziel erreicht. Im Speiseraum stehen Chef und Chefin am lodernden Holzofen: ja, wir dürfen draußen campen und dann im Restaurant essen! Toll! Wir verjagen die zottelige, lausige Hundeschar und stellen die Zelte auf. Als es dunkel ist, sind alle geduscht und sitzen erwartungsfroh im Restaurant. Den Auftakt bilden Tomaten-Mozzarella, gebratene Aubergine und Zucchini, Käse und eingelegte Paprika – für Molle noch extra „Salume“. Dann teilen wir uns eine Pizza und verwundern die Hausherrin als wir im Anschluss noch Pasta für alle ordern. Einfach unbeschreiblich lecker. Hausgemachte, lange Nudeln mit Steinpilzen – zum Reinlegen! Christian, der 9-jährige, zweite Sohn führt mich noch zur Quelle, wo ich die Flaschen mit frischen Bergwasser auffülle. Auf der Terrasse mit Blick ins Tal genießen wir im Anschluss noch unseren Hauswein vom Mittagessen und fühlen uns wie im 7. Himmel. Agriturismo-Geruch inklusive. Und ja, bezahlt haben wir auch gleich: 60 Euro für alles und alle. „Esse, schlafe, nicht so viel bezahle!“ – ein tolles Tourismusmotto! Buona Notte!
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