10.02.2010 (m) – Pu’er – Ning’er: 59km, 750Hm
Ach, was ist das schön, wenn man weiß, dass das nächste Etappenziel sich in einem gemütlichen Radltag bewältigen lässt! Dann nämlich hat der Wecker Spätschicht. Wie auch heute, als die Sonne schneller ist und zwischen den Vorhängen hindurch unsere Nasenspitzen entdeckt. Wir freuen uns schon auf das Frühstücksritual: Ein paar schnelle Schritte durch den Hinterhof und wir sind schon wieder von der ganzen Belegschaft umringt. Eigentlich gibt es ja nur Nudelsuppe (was sonst?). Aber was heißt hier NUR? Auch das Tunen der Suppe, in der die Reisnudeln daherschwimmen, will gelernt sein. Ein bisschen von dieser Sauce, nein, nicht so viel, und das „Ma“ nicht vergessen, aber ohne Fischsauce geht’s doch gar nicht, wie, keine Kräuter drüber…? Jedenfalls sind alle, einschließlich uns, sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Wieder mal fällt es fast schwer, das gemütliche Hotel mit der lustigen und hilfsbereiten Belegschaft zu verlassen. Wir werfen noch einen Blick in den Supermarkt, der zum Hotel gehört und heute die Tore für das zahlende Volk zum ersten Mal öffnet. Zahlreiche neugierige Chinesen stöbern durch das bunte Angebot, wühlen im offenen Reis, bestaunen die Obst- und Gemüseauslagen (die so ganz anders aussehen, als auf den wuseligen chinesischen Märkten) und tragen erste Eröffnungsschnäppchen nach Hause. Wir denken ein wenig darüber nach, wie die Entwicklung hier wohl weitergeht…werden die kleinen Händler, Straßenverkäufer und Straßenstände irgendwann verschwunden sein? Oder haben sie neben den überall aus dem Boden sprießenden Märkten, die alles sauber und ordentlich, aber auch steril, präsentieren noch eine Chance?
Pu’er ist gar nicht mal so klein, brauchen wir doch eine gute halbe Stunde, bis wir das Zentrum hinter uns gelassen haben und an der ganz alten Straße nach Ning’er angelangt sind. Ein paar äußerst staubige Passagen später befinden wir uns so gut wie alleine in einem wunderbaren Kehrenanstieg. Die Luft ist herrlich kühl und frisch, das Licht wie im europäischen Herbst. Der Himmel strahlt dazu azurblau. Der Highway nimmt derzeit den ganzen Verkehr auf, während sich der Expressway zwischen den beiden Städten gerade im Bau befindet. Und so erreichen wir schon bald mutterseelenallein einen kleinen Pass auf 1750m. Ein alter rostiger Bogen makiert noch den höchsten Punkt hier, wir Fragen uns bei dessen Anblick allerdings, wie lange noch. Was folgt ist eine herrliche Abfahrt durch Teeplantagen, Reisfelder und ein ursprüngliches Hani-Dorf, wie die Minderheit, die diese Region vorwiegend besiedelt, genannt wird. Der Weg ist gesäumt von Kiefern, mit fallender Höhe gesellt sich noch ein warmer Wind dazu, so dass man sich kurzzeitig in maritmen
Gefilden fühlt. Käme da nicht der nächste braungebrannte chinesische Bauer mit Hacke, Schaufel oder sonstwas um die Ecke. Der sehr durchwachsene Straßenbelag und die herrlichen Landschaften bremsen uns immer wieder aus. Macht aber nichts – im Gegenteil. Wo’s schön ist, da verweilt man ja gerne. 15 Kilometer später kommt der Highway wieder in Sicht und mit ihm ein doch sehr lebhafter Verkehr. Nach der Einsamkeit des Bergsträßchens ist das so gar nicht nach unserem Geschmack. Wir sind aber vorbereitet und wissen von der Fortsetzung der ganz alten Straße. Der Abzweig zu dieser ist jedoch nicht so leicht zu finden – erst zweimaliges Nachfragen bringt uns auf die Spur. Die ist aber dann wieder nahezu autofrei. Dass sie sehr holprig und staubig ist, stört uns aber nicht im Geringsten. Die Steigungen sind gut zu meistern, Land und Leute, Wetter und Temperatur einfach nur genussvoll. Ning’er erreichen wir entspannt über Nebenstraßen, vorbei an Feldarbeitern, die in der Abendsonne noch einen Tee gemeinsam schlürfen und ein wenig plaudern. Lächelnd grüßen sie die „Laowai“, die da grinsend und winkend vorbeirollen. Die Stadt ist nicht allzu groß, was sich aber in naher Zukunft ändern könnte, sind doch die großen Zufahrtsstraßen bereits angelegt, erste Wohnblocks stehen, weitere Siedlungen sind auf großen Plakaten bereits angekündigt. Die Bilder in China gleichen sich – überall heißt es derzeit: „Aus alt mach‘ neu.“ Rasch finden wir eine Unterkunft, das „Teehotel“. Die Suche nach dem Abendessen führt uns durch lange Einkaufsstraßen mit unzähligen Boutiquen und über den riesigen Markt, der aber bereits „verloffen“ ist. Die Reste werden zusammengekehrt, nicht verkaufte Waren sorgfältig wieder verpackt – bis morgen. Komischerweise sind Resturants hier extrem rar gesäht, oder wir sind einfach im falschen Stadtteil?! Jedenfalls erreichen wir nach einer mittelgroßen Runde wieder das Hotel und wollen gerade die Räder holen, um unseren Horizont zu erweitern, da fällt uns auf der anderen Straßenseite ein gut besuchtes Lokal auf! Sofort werden wir in die Küche durchgewunken, wo wenig später Zucchini mit Schweinefleisch, Brokkoli in Austernsauce, Knoblauch mit Zuckerschoten (ja, in diesem Verhältnis), „Sichuan“-Kartoffeln und „Ma Pa Dofu“ unter großem Getöse durch die Woks rauschen! Zwei kühle Bier beweisen sich nach einem Tag im Sattel mal wieder als die passenden Begleiter.