06./07.10.2009 (m) – Tang Ke – Hongyuan: 87km, 90Hm; Hongyuan – Shuajingsi: 59km, 300Hm
Ja schnattern die denn schon wieder? Nicht nur spät ins Bett gehen sie, auch noch früh aufstehen. Na ja, schadet eigentlich auch nichts. Kalt und feucht ist es draußen, und im Zelt so gemütlich, dass man noch ein Runde dösen könnte, aber kein Regen trommelt auf das Zelt und das ist ein deutliches Zeichen zum Aufbruch. Dicker Nebel liegt über dem Gelben Fluss und den Bergen hinter uns, aber die Sonne schimmert ein wenig durch, als wir die Füße aus dem Zelt ins nasse Gras setzen. Unter großem Interesse der übrigen Camper verschwindet alles in unseren roten Taschen und nach den üblichen Starfotos mit jeder Menge Chinesen quälen wir unsere müden Muskeln den steilen Anstieg zur Hauptstraße zurück.
Hinter der nächsten Kurve erscheint dann die Klosteranlage noch in voller Pracht. Die Außenmauern bilden wie so oft lange Gänge mit goldenen Gebetsmühlen, an denen alte, bucklige Tibeter mit krummen Holzstöcken langsam entlang schleichen und den Mühlen mit etwas Mühe einen kleinen Schupps mitgeben. Die Morgenkälte muss jetzt aus den Gliedern! Wir strampeln zügig, um die Körper zu wärmen – es gelingt, nur die Finger bleiben wie so oft davon ausgenommen. Bald aber kann sich die Sonne ein wenig durchsetzen und wir kommen in Fahrt. Schnell merken wir, welch‘ Glück wir heute mit dem Wind haben. Er bläst wirklich sehr stramm von hinten, so dass wir auf der zudem ebenen Strecke über 20 km/h erreichen. Ein schönes Gefühl. Zumal sich die Sonne heute nicht so wirklich entscheiden kann und immer wieder auch dicke Regenwolken hinter über und neben uns ihre bedrohlichen Formationen bilden. Dank gefühlter null Höhenmeter sind die 85 km dann aber in knapp vier Stunden bewältigt und wir laufen in Hongyuan ein. Staubige Straßen, viele Baustellen und die üblichen Handwerker auf den Straßen empfangen uns und geben kein einladendes Bild ab. Weiter im Zentrum bildet sich dann aber doch so etwas wie eine Stadt heraus und wir steuern einige Hotels an, von denen wir das übelste erwischen. Da aber gerade heftiger Regen einsetzt, bleiben wir. Eine richtige Mogelpackung. Große Empfangshalle mit allem Papapo, zu den Zimmer geht es dann hinten in einen Hof, wo stolz ein „North“ und ein „South Buildung“ angekündigt werden (vom mit einem Fahrradschloss verriegelten „Dining Room“ reden wir mal nicht). Die Zimmer sind dann in diesen Nebenbauten und schon beim Eintreten wird klar, wo hier das große Problem herrscht: die Feuchtigkeit. Alles schön abgeschirmt mit rotem Teppich. Für eine Nacht wird es schon gehen. Die saukalten Zimmer sind natürlich genauso feucht, es grüßt der Schimmel und die heiße Dusche kann erst ab 21 Uhr erfolgen. Ein wenig schade, da wir doch heute schon um 14 Uhr vor Ort waren und den Nachmittag zur Erholung nutzen wollten. Stattdessen sitzen wir mit Fliesmütze und klebrig von drei Tagen ohne Dusche in den Schlafsäcken. Trotzdem erledigen wir ein bisschen Schreibkram und Planung und gehen dann in der dunklen Stadt einkaufen, etwas essen und in ein abgespacktes Internetcafé (aber immerhin mal wieder ein Blick in das WWW).
Die Nacht verläuft unruhig, die Luft im Zimmer ist miserabel und alles ist klamm. Aber wenigstens frieren wir nicht. Das Wetter sieht ungemütlich aus und so trödeln wir in den Tag (u.a. flicken wir Katrins Reifen, schrotten dann das Ventil beim Aufpumpen und wechseln dann nochmal den Schlauch und versuchen noch eine Stunde lang bei der einzigen Bank Geld zu bekommen, was misslingt). Eigentlich wollten wir heute den Bus nehmen, aber als wir so vor der Bank herumstehen und beraten, drückt die Sonne immer mehr durch und so fahren wir dann doch Richtung Longriba. Kein Fehler. Die Sonne bleibt uns die Fahrt über erhalten, die Landschaft ist gefällig. Leider bläst der Wind heute stramm von vorne, was uns selten über 15km/h kommen lässt, obwohl auch diese Etappe flach ist. Das Tagesziel ist allerdings nur 55km entfernt und so kurbeln wir locker, ohne gegen den Wind anzukämpfen. Hinter uns braut sich dann aber mehr und mehr eine riesige, tiefschwarze Wand zusammen. Der Wind kommt ja von vorne, so denken wir, da kann die Wand ja gar nicht näher kommen. Weit gefehlt! Wir erreichen gerade die kleine Siedlung Longriba und lassen uns von einem Polizisten zum Guesthouse bringen, da ist die Sonne schon hintern den dunklen Massen verschwunden. Wir werfen unser Gepäck auf die Betten und rollen die Räder in eine freie Ecke der Betonbox, da hören wir schon das Pfeifen des Windes. Wenig später scheint das Tageslicht verschwunden. Im düsterer ziehen die Wolkenwände heran, der Wind ist zum Sturm geworden, es wird kalt. Die ersten Tropfen klatschen an die Fenster, Blitze zucken in der Ferne. Wir sind so froh, hier drinnen zu sein. Nicht auszudenken, wenn uns dieses Unwetter auf freier Strecke erwischt hätte! Die Sturmböen peitschen um unsere Wände und durch die Ritzen in den Fenstern. Der Müll vor den Zimmern wird zum Spielball der Lüfte. Es ist beeindruckend und beängstigend zugleich die Gewalt der Natur zu beobachten. Das Grollen des Donners lässt nochmals die Scheiben vibrieren, dann beruhigt sich die Szenerie wieder etwas und heftiger Regen ist alles was für den Moment bleibt.
Der Strom fällt aus, so dass der abendliche Besuch der Polizei zur Passkontrolle und Registrierung bei Taschenlampenlicht erfolgen muss. In die Schlafsäcke gekuschelt gibt es Tütensuppe, Nescafé mit Keksen, Wasser, Cola und Bier. Wir hoffen auf ruhiges Herbstwetter morgen früh, denn wir würden gerne bei guter Sicht über den 3800m hohen Pass ins nächste Tal klettern.