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Meer als Allgäu

von sabbatradler
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Braunvieh, Fleckvieh, Milchwirtschaft, Silage, Pschütte. Alles bekannt von daheim? Ja, aber der Unterschied ist: Asturien ist Allgäu plus, sozusagen. Naja, Kantabrien ab Santander auch schon: Allgäu und Meher! Der Küstenabschnitt zwischen Santander und Gijon sei absolut „rewarding“ hatte ein Spanier in Bilbao Molle erklärt. Er hat ihn bei der Einfahrt in die Stadt heruntergewunken, um etwas zu plaudern. Dieser lohnenswerte Abschnitt wird auch oft als Radreise angeboten – „self guided“ beispielsweise ab 799 Euro mit folgenden Highlights:

  • Mittelalterliche Städte, Fischerdörfer, Sandstrände
  • Höhle von Altamira, Naturpark Oyambre, Costa Verde

Bis auf die Höhle, die man sowieso nicht besuchen kann, haben wir gewissermaßen dieses Programm „absolviert“ – und genossen. Das Überraschende an diesem Abschnitt ist die Abwechslung. Von Santander weg hatte ich den ganzen Tag Silage-Geruch in der Nase. Ab und zu fuhr ein „Scheißemeier“ vorbei, so heißen bei uns die Düngenden.

Milchkühe mit ihrem in Plastik verpackten Futter am Jakobsweg

Und dann, nach dem fünften grünen Allgäu-Hügel und einer kurzen Abfahrt landet man in einem Fischerstädtchen mit malerischem Hafen und überraschend vollen Cafés und Restaurants.

Dann wieder grüne Hügel – vergleichbar mit einer Radtour am Niedersonthofer See – und schwupps, ein kilometerlanger Sandstrand, eine Steilküste, ein Eukalyptuswald, ein Marschland. Costa Verde eben.

Nicht unerwartet, aber dann doch überraschend tauchte Santillana del Mar auf. Ein mittelalterliches, malerisches Städtchen – dementsprechend gut frequentiert von Touristen. Es ist hübsch anzusehen, aber im Gegensatz zu Fischerorten wie Llanes sehr touristisch ausgeschlachtet.

Zur Erfrischung konnte man noch in den Atlantik hüpfen. Sensationell. Sogar ein Campingplatz war mal wieder geöffnet: Camping Oyambre, beim gleichnamigen Naturpark und natürlich ein Surf-Eldorado.

Je näher wir Llanes kamen, desto näher rückten die Berge ans Meer heran. Der Gebirgszug Sierra de Cuera erhebt sich hinter Llanes bis zu 800 m hoch, der Rücken dahinter gut 1300 m und nochmals südlich davon stehen die Picos de Europa, mit bis zu 2650 m Berghöhe. Wir hatten uns in ein kleines, privat geführtes Hotel (Prau Riu) eingebucht, vom Zimmer „Aretha Franklin“ hatten wir einen wunderschönen Bergblick.

Der Musikliebhaber und Hobbymusiker Manuel und seine Frau Paloma haben das Hotel vor 15 Jahren eröffnet und jedes Zimmer ist mit einem anderen Superstar der Rockgeschichte gestaltet. Gemeinsam mit ihren beiden Söhnen sind sie die Familienrockband „Endertones“ (zu finden hier; durchaus musikalische Familie!). Mittlerweile ist der ältere Sohn allerdings beim Studieren. Llanes selbst hat uns auch außerordentlich gut gefallen. Tolles Küstenstädtchen-Flair:

Was sonst noch auffiel auf unserem asturischen Küstenabschnitt:

Gefühlt jede Kneipe in Asturien nennt sich „Sidrería“. Der Name deutet darauf hin, dass es hier den asturischen Apfelwein zu konsumieren gibt, der wohl schon seit 2000 Jahren in der Region hergestellt und getrunken wird. Man kann ihn nur flaschenweise kaufen und der Kellner schenkt ihn mit erhobenem Arm ein, wodurch er Luft bekommt und dekantiert wird. Es wird immer nur ein Schluck nachgeschenkt, so ist der Kellner in einer vollen Sidrería auch gut beschäftigt. In Ribadaseilla testeten wir das Ganze mal, nachdem wir schon einige Abfüllanlagen auf der Strecke gesehen hatten.

Auch bei den Bauwerken war Abwechslung geboten. Zum einen entdeckten wir hin und wieder Einfamilienhäuser oder halbe Neubausiedlungen, die nie fertiggestellt wurden. Diese Bauruinen entstanden unserer Vermutung nach in der Finanzkrise 2008, von der Spanien auch stark betroffen war. Manchmal standen ein oder zwei fertige Häuser zwischen vielen unfertigen. Das fände ich auch keine tolle Nachbarschaft. 

Über Land hatte ich oft das Gefühl, durch China zu fahren. Die für Asturien typischen quadratischen Kornspeicher (Getreide-, Obst- und Kartoffelspeicher, die zum Schutz gegen Nagetiere auf Pfählen stehen) „Horréo“ wirken so altertümlich und rustikal, dass man das Gefühl hatte, durch eine noch sehr ländlich geprägte Region zu fahren. Und das war nicht nur ein Gefühl – der kurze Blick im Vorbeifahren in den einen oder anderen stockdunklen Kuhstall mit einem beschürzten Mütterchen im Mist und die alten Traktoren unter den Horréos zeigten, dass die Landwirtschaft ein wichtiger Sektor der asturischen Wirtschaft (die vor allem sonst von der Schwerindustrie und Bergbau lebt) ist. Nicht umsonst wird Asturien die Milchkammer Spaniens genannt. 

Dann gab es auf der anderen Seite in vielen Orten große, edle Handelshäuser und Adelspaläste zu bestaunen. 

Und hatte ich die Strände und Buchten schon erwähnt? ;-)

Zwischen Gijon und Avilés gibt es Schwerindustrie – vor allem Bergbau (ein allerdings abnehmender Sektor, die Bergleute, die ihre Jobs verlieren finden schwer andere Arbeit). Kaum hatte man den Hafen Gijons hinter sich gelassen, hörte man die Höllenmaschinen im hinteren Tal und fuhr über Straßen und vorbei an Häusern, die von Kohlestaub überzogen waren. Im ersten Moment verstörend und wieder dieses Gefühl „sind wir in China?“. Wobei wir schon gelesen hatten, dass Gijon eigentlich eine Industriestadt ist. Auf den gut 25 km durch die Industriegebiete bis über Aviles hinaus waren wir dann aber besonders froh um unser Fahrrad. Schon mal interessant, dieser Anblick, aber die Pilger auf dem Jakobsweg, die hier einen ganzen Tagesmarsch durchlaufen müssen, haben uns schon leid getan. Wobei, noch mehr leid tun mir die Leute, die mit ihren Häusern im Einzugsbereich des Kohlestaubs und des Dauerlärms stehen oder ihre Wäsche in die schwarze Asche zum Trocknen hinaushängen. 

In der Stadt selbst ist davon aber nichts zu merken. Wie immer viel Kultur und Kulinarik, sogar einen „echten Chinesen“ trieben wir auf! Mit einem Kellner aus Venezuela und original chinesischen Gerichten.

Ein echter Chinese mit Ehre – er versteht sogar noch mein Chinesisch :-)

Gijon ist eben nicht nur Industriestadt sondern auch Universitätsstadt. Uni-Städte haben ja oft ein besonderes, junges Flair. Das fällt hier nicht so auf, der Unikomplex liegt unweit unseres Campingplatzes, die Fakultäten befinden sich in verschiedensten alten und neuen Gebäuden. Auch noch im Monumentalbau der Universidad Laboral de Gijoón, Er ist das größte Gebäude Spaniens und wurde – wie man es kennt von den Diktatoren, möglichst protzig – zwischen 1946 und 1956 unter Franco erbaut. Aber ein Uni-Kneipenviertel oder so etwas, finden wir hier nicht.

Wir lassen uns einen extra Tag Zeit für Gijon. Fast schon normal hier, dass eine solche Stadt nicht nur einen riesigen Strand (San Lorenzo) hat – jetzt im Herbst vor allem als Hundespazierweg genutzt. Manch einer badet aber auch noch – entweder nur in der Sonne oder auch, wie ich, im Atlantik. 

Ansonsten lassen wir uns wie gewohnt von unseren Fahrrädern durch die Stadt treiben. Wir finden quirlige Plätze und nette Cafés, gemütliche Parks und Hügel und Kneipen, auf deren Terrasse man den Abend verbringen kann.

Auch, wenn die Stadt ein Gewirr aus Einbahnstraßen ist und die Innenstadt nicht unbedingt als fahrradfreundlich bezeichnet werden kann, kommt man doch gut überall herum und sieht viel. 

Aus fahrradtechnischer Sicht muss noch erwähnt werden, dass die „große“ Küstenstraße, die N634, fast auf der gesamten Strecke sehr gut zu befahren war. Wir folgten ihr nicht immer, aber immer, wenn wir uns entschieden, auf ihr zu fahren, weil der Jakobsweg zu steil, zu steinig oder einfach zu weit weg oder zu zackelig war, konnte man auf ihre hervorragend radeln. Mal direkt entlang der Steilküste durch Eukalyptuswald und immer wieder Flüsse querend, mal über freie Flächen. Der Grund, dass sie kaum (mehr) befahren ist, ist die parallel dazu laufende Autobahn. Diese wird von den meisten Autofahrern gern genutzt. Gut für uns! 

Statt Camping hieß es nun außerdem Albuerge oder Hostel oder Hotel: 

Ach ja, die asturische Spezialität „Fabada“ – den deftigen Eintopf mit weißen Bohnen haben wir selbstverständlich auch verkostet, in Navia:

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