15.03.2010 (m) – Meizhou-Chayang: 86km, 450Hm
Also Hakkaland hat nichts mit Pippi Langstrumpf und dem dazugehörigen Takka-Tukka-Land zu tun. Es ist vielmehr ein Gebiet in der Provinz Fujian, die etwa fünf Zugstunden nordöstlich von Hongkong beginnt. Und genau da sind wir gerade. Die Hakka sind eine Untergruppe der Han, also nicht wirklich eine ethnische Minderheit, haben aufgrund ihrer abgeschiedenen Lage aber eine interessante Geschichte aufzuweisen. Es gelang ihnen ihre Sprache und Bräuche zu bewahren, weil sie ihre Siedlungen weit ab von ihren Nachbarn bauten. Dadurch wurden sie aber zu Außenseitern und hatten mit Anfeindungen zu leben. Daher errichteten sie sogenannte Rundhäuser. Bis zu 800 Menschen lebten und leben zum Teil heute noch in manchen dieser festungsähnlichen Häusern. Nicht gerade klein also so ein Rund-Komplex! Aber, so weit sind wir eigentlich noch gar nicht, erreichen wir die Region mit den Bauten doch voraussichtlich erst morgen. Heute müssen wir erstmal unseren Hotelbau räumen, der uns die letzten zwei Tage mal wieder ein richtiges „zu-Hause-Gefühl“ vermittelt hat. Das herzliche Personal verabschiedet uns freundlich und der Portier hilft beim Beladen. Dann schwenken wir auf die Hauptstraße, fließen ein bisschen mit dem vielen Verkehr mit und verlassen über eine große Brücke Meizhou. Hm, kommen wir jetzt auf die Autobahn? Eine vierspurige Straße breitet sich vor uns aus, nebst Seitenstreifen, der die Ausmaße einer ganzen Spur hat. Also eigentlich eine sechsspurige Straße. Geteert ist sie nicht, dafür „betongeplattet“ – uns kommt da sofort eine berühmter Autobahnbauer aus den 1930er-Jahren in den Sinn…
Der Verkehr ist sehr gering, der Straßenverlauf flach wie ein Bierdeckel. Zudem bläst ein bisschen Wind in den Rücken. Ja, das fährt sich doch ganz ordentlich. Da wir uns auf dem selben Breitengrad bewegen wie beispielsweise Kalkutta, lässt sich die tropische Schwüle gut erklären. Es ist fast schon ein bisschen zu warm – aber nur für Katrin. Wir folgen immerzu dem Fluss, der sich wunderbar durch die Landschaft zieht, die in der Ferne Hügel und Berge bereithält, am Straßenrand und dahinter mit Bananenplantagen und Pomelogärten und wunderbar frühlingshaften Düften – vor allem Jasmin – aufwartet. Ein bisschen Schwerlastverkehr kommt nun doch auf und verhindert vollends unbeschwerten Radgenuss, aber es ist nicht wirklich belastend. Schon mehr belastet uns da ein kleines Pässchen, das uns gut 350 Höhenmeter abverlangt, diese aber unverzüglich für eine rauschende Abfahrt bereitstellt. Immer wieder durchqueren wir kleine Weiler mit ganz ursprünglichen Häusern, richtige chinesische Altbauten. Das ist schön anzusehen, verheißt für deren Bewohner aber sicher manch unkomfortable Stunde, da doch der Zahn der Zeit und vor allem die Feuchtigkeit hier an der Substanz nagen. Kaum verwunderlich, dass ebenso oft Neubauten und riesige Baustellen auftauchen. Schön anzusehen ist das wiederum nicht, aber wir wohnen hier ja nicht, sondern fahren nur mal eben durch. Der optische Aspekt wird den neuen Bewohnern sicherlich relativ egal sein. Zumindest jetzt.
Am Nachmittag erreichen wir den heutigen Zielort Chayang, der nicht den einladendsten aller möglichen Eindrücke macht. Die Häuser sind dunkel, ebenso von der Feuchtigkeit bearbeitet. Ansonsten ein ganz normaler chinesischer Ort mit einem Gasthaus, das sehr ordentliche Zimmer bietet. Die nette Familie, die es betreibt, kümmert sich demnach gut, die beiden Buben des Hauses flitzen mit uns nach oben und sperren das Zimmer auf. Wie sich herausstellt, gibt es sogar ein Restaurant am Ort. Als wir so in unserem Separee sitzen und aufs Essen warten, wird uns klar, dass das hier wohl auch mal ein Hotel war. Der Rauchmelder, das Bad, das Schränkchen mit dem Fernseher drauf…der Ort ist wohl definitiv zu klein für zwei Unterkünfte. Also wurde hier halt kurzerhand die Dienstleistung aufs leibliche Wohl verlagert. In der Dämmerung schlappen wir zurück zum Hotel, die Oberschenkel sind wohl durch die radfreien Wochen etwas entwöhnt und murren schwer. Die Leute des Ortes blicken uns staunend nach, der Verkäufer des kleinen Lebensmittelladens fragt woher, wohin und heißt uns im Ort willkommen. Na so etwas, schmunzelt er, zwei Deutsche. Und auch noch mit dem Fahrrad! „Was machen die denn hier bei uns im Hakkaland?“, fragt er sich wohl.