11.03.2010 (k) Honkong
Wir freuen uns – die Wettervorhersage hier passt hervorragend! Wieder lockt uns die Sonne aus dem Zelt und diesmal zum nahen Fähranleger in Mui Wo. Knapp 40 Minuten dauert die Überfahrt nach Hongkong – mit dem alten Modell. Die Schnellfähre bewältigt die Strecke fast in der halben Zeit. Aber wir sind froh, etwas länger die Hafeneinfahrt und den Ausblick auf die komplett freiliegenden architektonischen Meisterwerke genießen zu können. Keine Wolke am Himmel – Zeit zum Staunen! Ein Bus mit der Aufschrift „Peak“ hält zufällig vor unseren Füßen – und so bleibt uns nichts übrig, als hineinzuhüpfen. Man muss ja nicht immer hinauflaufen! Durch die Busroute erhalten wir noch eine ausführliche Stadtrundfahrt, was sehr praktisch ist. Oben auf Honkgongs Hausberg tummeln sich die Touristenmassen und wir verkrümeln uns schnell auf den Rundweg auf der alten Lugard Road, von der wir herrliche Blicke auf die uns zu Füßen liegenden Wolkenkratzer, den Hafen und Kowloon haben. Welch ein Panorama – jetzt sehen wir mit eigenen Augen, was wir verpasst hätten, wenn wir vorgestern abgereist wären! Genial, auf welch engem Raum sich hier das Leben abspielt und wie ruhig es ein paar hundert Meter höher schon wieder ist, wo man auf einer 1913 erbauten Straße durch den Dschungel wandern kann, der natürlich an den aussichtsreichen Stellen weggesägt wurde! Greifvögel kreisen über der Stadt – immer bereit, sich hinunter zu stürzen und etwas abzugreifen.
Staunen, fotografieren, filmen, schlendern, genießen – Bilderbuchhongkong. Hinunter auf der sausteilen „Old Peak Road“ schlucken uns die Bauriesen bald wieder und wir steigen in einen vorbeikommenden kleinen grünen Minibus, der uns ganz ins Zentrum fährt, wo wir direkt in eine nostalgisch wirkende Doppeldeckertram hineinhüpfen. Das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel ist faszinierend. Wir sind ja stolze Besitzer einer „Octopus Card“, die man zum Bezahlen in allen Bahnen oder Bussen einfach auf einen Kartenscanner legt und schon wird der fällige – meist im Centbereich liegende – Betrag vom aufgeladenen Geld abgezogen. Wirklich superpraktisch – kein nerven- und zeitaufwändiges Ticketkaufen, Orientieren, Falschliegen. Hopp rein, hopp raus – so läuft das hier. Mit Kaffeetrinken und Jackenkaufen vergeht die Zeit bis zum Dunkelwerden schnell und wir können noch einen Blick auf die leuchtende Stadt werfen, als wir mit der 19.00 Uhr Fähre wieder zurück auf „unser“ Eiland fahren. Leider ist es diesmal die Speedfähre, die sich mit ihrer klimatisierten Personenkabine als äußerst fotounfreundlich erweist. Da behalten wir eben unsere Eindrücke im Kopf – und wenn wir uns einmal nicht mehr erinnern sollten, so ist dieses Fotomotiv wohl bestens allgemein verfügbar.
So, morgen geht es zurück nach China. „Und dann?“, werden nun viele von euch allmählich fragen. Haben die nicht einmal vorgehabt, im März zurückzukommen?
Tja, wie habe ich von meinem verehrten Vater gelernt: Pläne sind da, um geändert zu werden. Und, wie Molle kürzlich festgestellt hat: für jedes Ziel, das man gesehen hat, tun sich zwei neue auf. Die Anfangsidee war es, im Frühjahr heimzukommen, kurz umzubauen und dann nochmals auf eine längere Tour nach Syrien und in die Türkei zu starten. Dafür ist es aber bereits zu spät, denn bis wir daheim sind und umgebaut haben –immer noch vorausgesetzt, wir kämen überhaupt schnell wieder los – wäre es dennoch schon zu heiß in diesen Ländern. Daher werden wir nun den Auftrag von Matthias R. befolgen, den er uns einmal per Mail zukommen ließ: „Take the long way home!“.
Wir machen uns nun auf, zwei Wochen durch die Region Guangdong/Fujian in Südchina zu radeln. Am 8. Juni wird dann, wenn alles so klappt, ein Zug mit uns in Moskau einrollen. Doch, was haben wir da kürzlich im Internet gelesen? „Visit St. Petersburg at the time of he white nights!“ – na, das können wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Von dort lässt es sich prima nach Finnland rübermachen – und wer wollte nicht schon einmal zur Mitternachtssonne in Skandinavien sein? Wir gehören jedenfalls dazu – und haben daher vor, quer hinüber zu strampeln, nach Bergen in Norwegen, wo unser lieber Freund René, der schon lange geplant hat, seinen zweiwöchigen Sommerurlaub vom 31. Juli bis 14. August bei uns zu verbringen, und dem wir natürlich ein wenig mehr als das Allgäu bieten wollten, zu uns eingeflogen wird. Daher das Paket mit dem kleinen Zelt an seine Adresse. Wir hoffen, das Wetter – das in diesen Wochen das beste des Jahres für diese Region überhaupt sein soll – ist uns hold und lässt uns friedlich gemeinsam von Bergen nach Kristiansand radeln. René fliegt am 14. August von Hamburg zurück in die Schweiz – und wir werden uns dann mit dem Zug – wie es der Tradition gebührt – auf ins Allgäu machen.
Achja, hat jemand eine Lücke entdeckt? Wer die neuen Fotos genau ansieht, kann herausfinden, in welchem Gebiet wir uns die noch offenen zwei Monate aufhalten werden. Wiederum geschuldet der besten Reisezeit für diese Region, was man nicht einfach ignorieren kann, wenn man schon mal so nahe ist und um diese Jahreszeit in seinem normalen Arbeitsjahr sicher nie die Gelegenheit haben wird, dort vorbeizuschauen… Der erste Mail-Einsender mit der richtigen Lösung erhält von uns ein dazu passendes Menü für zwei Personen gekocht– im Herbst, versteht sich.
„I should like to spend the whole of my life travelling, if I could anywhere borrow another life, to spend at home“ – einer der vielen geistreichen Sprüche, die uns mit auf den Weg gegeben wurden. Wir haben keine zwei Leben, um eines davon zu reisen, doch wir haben für dieses Mal ein Jahr – und das wollen wir auch sehr gerne nützen!