30.04.2010 (m) Unter der Brücke – Imabari Onsen: 67km, 300Hm
Die Stimme eines vorbeifahrenden Radlers weckt uns um kurz vor 7 Uhr. Junge, Junge, die Japaner sind aber stets früh auf den Beinen. Nach dem Öffnen des Zippers liegt das tiefblaue Meer vor uns, die Sonne reckt sich hinter der Brücke in die Höhe, unter der wir die Nacht verbracht haben. Dieser Platz hat allerdings nichts mit dem Klischee von „Schlafplatz unter der Brücke“ gemein. Man könnte wieder mal länger verweilen hier.
Weitere drei Brücken liegen heute vor uns, darunter die längste der Route mit stattlichen 4,2 Kilometern. Der Wind hat sich jetzt endgültig auf eine Richtung festgelegt, er bläst stramm von vorn. Obwohl die Strecke wieder – abgesehen von den Auffahrten auf die Brücken – flach ist, kommen wir nur zäh voran. Das macht aber gar nichts, bieten sich doch immer wieder unglaublich schöne Ausblicke auf das Meer und die architektonischen Meisterwerke. Besonders die letzte, lange Brücke ist sehr beeindruckend. Wir hoch oben, unter uns das vom Wind aufgepeitschte Meer, die mächtigen Pfeiler und Stahlseile. Es ist schon erstaunlich, was der Mensch im Laufe seiner Entwicklung für Leistungen hervorbrachte. Leider ist nicht alles davon so harmlos und gut gemeint wie dieses Monster aus Stahl.
Als wir nach etwa 40 Kilometern die Stadt Imabari auf der Insel Shikoku erreichen, dröhnen uns fast die Ohren von dem steten und starken Rauschen des Windes. Der nächste Supermarkt muss dran glauben. Mit vielen bunten Plastikboxen bestückt machen wir uns auf zum Hafen, um uns nach Fähren zu erkundigen und ein ruhiges Plätzchen zum Vespern zu finden. Eindrucksvoll demonstriert uns die Wettermacht, wie der Himmel binnen einer halben Stunde von blitzblau in mausgrau verwandelt werden kann. Dazu wird es merklich kühler und der Wind wirkt noch unangenehmer. Hastig verdrücken wir das Essen und klappern die Hafengebäude ab. Fazit: Von hier gibt es keine Fähre nach Kyushu. Da es immer unangenehmer wird und auch erste Tropfen fallen, sehnen wir uns schon wieder nach der Wärme eines Onsen. Wir picken einen aus dem Straßenatlas und steuern diesen an, unser Zelt werden wir in der Umgebung schon aufstellen können. Doch auf dem Weg dorthin, wendet sich das Wetterblatt genauso schnell wieder. Erste blaue Löcher reißen auf, schnell ist es wieder warm und die Wolkenfront so rasch verschwunden wie sie kam. Ebenso fix ändert sich unsere Stimmung und wir pedalieren wie geplant talaufwärts – in Richtung eines anderen Onsens. Ohne den geht halt einfach nichts. Die befahrene Hauptachse verlassen wir gerne und schwitzen auf der Nebenstraße, was einen kleinen Umweg bedeutet, über steile und gerade Rampen (die schlimmste Art der Steigung, die man sich vorstellen kann) nach oben. Glücklicherweise lässt es die Topografie bei 200 Höhenmetern bewenden und schickt uns auf eine kurze Abfahrt. Einmal abbiegen noch, dann erreichen wir Onsen-County. Mehrere dieser heißen Quellen drängen sich hier auf engem Raum, manche privat (d.h. für Gäste der jeweiligen Hotels), einer aber öffentlich. Es gibt neben jeder Menge heißem Wasser auch wieder eine Sauna und einen angenehmen Außenbereich mit Massage-Dusche. Der Tatami-Raum (in dem leider wie immer ein nerviger Fernseher dudelt) spendet uns ein warmes Dach über dem Kopf und ein bisschen Strom für unsere Technik. Als der Onsen um 21 Uhr schließt, verlassen wir das Gebäude, um ein wenig weiter, an vorher ausgekundschafteter Stelle, unser Zeltchen aufzustellen und das Abendessen zu kochen. Katrin wurde von zwei Mitarbeiterinnen noch auf die „wilden Tiere“ hingewiesen, namentlich Wildschwein und Affe. Diese kämen gerne aus dem Wald um Obst und andere Nahrungsmittel zu klauen. Wir sind gewarnt und verpacken Müll und Vorräte sicher in den Packtaschen.