17.04.2010 (k) – Iya Valley – Kamiyama: 92 km, 1500 Hm
Wie, so hell im Zelt, da stimmt doch was nicht!? Oder wohl doch – der Wetterbericht stimmt. Strahlend blauer Himmel um halb 8 Uhr morgens, wohin das Auge reicht. Da steht unserem Vorhaben, heute die 90 Kilometer bis zum nächsten im Straßenatlas verzeichneten Campingplatz, der neben einem öffentlichen Onsen steht (Bedingung in diesen kalten Tagen!) zu schaffen, nichts mehr im Wege. Wir kochen Kaffee und Fertignudeln und trocknen während des Frühstücks unser Zelt und was sonst noch feucht ist. Dann beginnt ein wunderschöner Radtag. 40 Kilometer geht es erst gemächlich dann steiler bergan. Wir nähern uns dem höchsten Berg Shikokous, dem Tsurugi San. Die alte Straße 32 führt noch einige Kilometer den Kuzarabashi entlang und wir nehmen noch eine Sehenswürdigkeit mit: die Kuzarabashi Bridge. Es handelt sich um eine alte Brücke, die komplett aus Wein gebaut ist. Wir begnügen uns mit dem Anblick – für vier Euro hätten wir auch darüberstakseln können, doch wir beobachten lieber die Japaner dabei. Auch die anschließende Straße 439 ist fast nicht befahren und meist winzig wie ein Radweg. Wir schrauben uns langsam höher, durch kleine Bergdörfer, die nur noch die Alten und viele, viele Puppen zu bewohnen scheinen. Ja, lebensgroße Puppen mit echten Kleidern und Gegenständen stehen hier überall herum und man weiß manchmal gar nicht, ob man einen Menschen stehen sieht, oder eine Puppe. Manche sind auf den Feldern bei der Arbeit, andere sitzen an Bushaltestellen, plaudern in Rollstühlen miteinander, sind beim Angeln oder schlafen am Straßenrand in der Sonne. Sie scheinen ein wenig das Leben hier zu zeigen – wie es vielleicht früher war, als noch mehr Menschen hier lebten. Ich glaube, für manche Alte ist es ziemlich einsam hier und die Winter sind lang und hart. Schön, dass sie sich jetzt so liebevoll um die Gärten und Blumen kümmern können. Oder war das eine Puppe? Nein, es bewegt sich etwas, das muss ein Mensch sein. Zum Radfahren ist es ein echter Traum! Durch dichten Wald schrauben wir uns hinauf, immer wieder belohnt mit Ausblicken auf die gebirgige Insel. Die Laubbäume leuchten in herbstlich anmutenden Rottönen, das Wasser der Flüsse ist glasklar und schimmert türkis. Überall riecht es nach Wald, Erde und Natur. Nach 1100 Hm haben wir das Zwischenziel am Tsurugipass erreicht. Wir verpacken uns wie Marsmenschen und stürzen uns in eine 25 Kilometer lange, berauschende Abfahrt. Dann heißt es nochmal auspacken, um den zweiten, kleineren Pass des Tages anzugehen. Dieser schraubt sich nochmal knapp 400 Hm übers Tal hinauf. Mit den letzten wärmenden Sonnenstrahlen der Nachmittagssonne gleiten wir hinunter, doch bald sind wir im Schatten angelangt, denn in diese engen Täler findet die Sonne nicht so lange hinein. Macht nichts, wir wissen, wir werden unser Ziel erreichen und freuen uns schon auf das wärmende Blubberwasser. Nahe dem Onsen in Kamiyama finden wir den Campingplatz – ein etwas überteuerter Autocamp mit Stellplätzen aus groben Steinen, doch egal. Wir sind da. Schnell ist das Zelt aufgebaut und wir finden noch vor dem Nudelnkochen unseren Weg ins öffentliche Bad. Heute gibt es zwar keine Bürsten, Cremes und Körperlotion, dafür aber wieder verschiedene Becken und Whirlpools, Duschen und eine Sauna sowie ein Außenbecken mit Blick auf den Mond, der als winzige Sichel in einem Sternenhimmel Platz gefunden hat.