17.08.2012 St.Jean-de-Sixt – Taninges
Dirk meinte noch vor ein paar Tagen, nachdem die ganz großen Brocken gemeistert waren, dass er nicht wisse, ob er den Col de la Colombière noch fahren würde. Schließlich läge der ja nicht richtig auf dem Weg nach Genf und beweisen müssen man sich ja schon lange nichts mehr. Doch der Mythos der langen Alpenroute verfehlt ihre Wirkung natürlich nicht und mittlerweile ist es nicht weniger als eine Ehrensache, auch den letzten Hügel vor dem Genfer See noch zu überqueren.
Die Nacht war erholsam, der Morgen bringt Sonne und Frische, der Blick aus dem Zelt richtet sich sofort zum Col. Geradezu eine Schande wäre es, diesen auszulassen. Der Frühstückskaffee bricht erstmals seit Wochen die 3 Euro-Schallmauer. Spüren wir schon jetzt die Nähe zur schweizer Nobel-Stadt? Gemach, gemach, auf französischem Boden sollte dies tatsächlich die einzige, wenn auch unergründliche, Ausnahme bleiben. Das Backwerk liefert die Boulangerie nebenan und schon schießen wir den Rest der gestrigen Abfahrt bis Le Grand Bornand hinab, um dann in selbigem Ort, einen viel günstigeren und auch noch besseren Kaffee zu genießen. Danach wird es aber wieder mal ernst und wir erklimmen in durchgängig 7%iger Steigung, rege überholt vom Rennradler-Volk, den Pass. Richtig spektakulär werden die letzten Kilometer nach Durchquerung des leidigen Skiortes, als man lange Zeit unterhalb einer mächtigen Felswand entlangkurbelt. Zwei, drei mächtige Kehren beschließen den Fahrspaß auf nocheinmal 1627m über dem Meer. Die Zielgerade fordert uns mit bis zu 12% Steigung. Muss denn dieser letzte Kilometer immer so bissig sein?
Es ist viel los am Pass, kaum eine Lücke ist nicht mit einem Auto befüllt. Wir finden ein ruhiges Plätzchen hinter einem Souvenir-Laden. Hier lassen sich in der Sonne die leckeren Käsereste und lauwarmes Leitungswasser bestens verdrücken. Die Abfahrt ist deutlich länger, fast 1200 Höhenmeter geht es hinunter bis Cluses, einer verbauten, wenig einladenden Kreisstadt. Die Verwaltungsgebäude sind hier auf jeden Fall zahlreicher als die Cafés. Wir wähnen uns nur noch vor einem letzten, kleinen Pass, dem Col des Gets, vor unserem endgültigen Ziel. Doch wir haben die Rechnung ohne einen fiesen, namenlosen 300 Höhenmeter-Anstieg aus Cluses heraus gemacht. Auf einer überbreiten, stark befahrenen Straße geht es dahin. Zudem ist es drückend, stichig heiß. Wir drücken aufs Tempo, um der Situation schneller zu entfliehen, und leiden dabei nur umso mehr. Wir erreichen ziemlich abgekämpft ein kleines Örtchen und sehen ein Schild: les Gets 24 Kilometer. Jetzt dämmert uns, dass dieser Anstieg nicht der letzte war. Wir retten uns auf die schattige Terrasse einer Bäckerei und stärken uns mit Orangina, Kaffee, Brownie und Fugasse à la chèvre. Etwas ermattet schleichen wir anschließend wieder zu unseren Bikes und rollen die kurze Abfahrt nach Taninges hinab. Im Gegenhang sehe ich schon die endlos langen Kehren in der prallen Sonne. Wohnwägen und Autokolonnen schieben sich darin hoch. Den sollen wir jetzt noch fahren? Als ich so nachdenke sehe ich das Schild des örtlichen Campingplatzes. Jaa, auf dem waren wir doch vor eineinhalb Jahren schonmal. Der war richtig nett und zum Wohlfühlen! Ich überrede Dirk zum Bleiben, Anstiege in den frühen Morgenstunden fallen einfach leichter. Ich brauche allerdings nicht lange, bis er zustimmt und wir zum Sportplatz bzw. dem dahinter liegenden Campingplatz einbiegen. Schnell haben wir ein schattiges Plätzchen gefunden und die Wäsche in der Maschine. Wir genießen die Wärme und die ruhige Athmosphäre des Platzes. Abends gibt es noch leckeres Pilzrisotto und ein gutes Fläschchen Rosé!