Downhill in den Ofen

09.11.2009 (m) – Jianshui – Nansha: 84km, 900Hm

Oh man, da hat uns die Stadt Jianshui so positiv überrascht, dass wir gerne noch einen Tag bleiben würden, doch – so blöd das auf einer so langen Reise klingt – wir müssen weiter. Schließlich wollen Vietnams nordwestliche Berge noch bezwungen werden – und das bis 19.November, dem Tag, an dem wir Hanoi erreicht haben sollten, um unserem „Reisebesuch“, in Person meiner Mutter und deren Freundin, einen angenehmen Empfang bereiten zu können. Also quälen wir uns aus dem superbequemen Bett und versuchen mit einer Tasse „Instant-Zucker-Kaffee“ die Müdigkeit aus uns zu vertreiben. Frühstück gibt’s dann zwei Türen weiter in einem Restaurant, wo uns würzige Nudelsuppen kredenzt werden.

Wir folgen der Hauptstraße ein Stück zurück, in die Richtung aus der wir gestern kamen und fahren dann weiter auf der S214 nach Süden. Auf einigen kleinen Wegen umkurven wir die doch recht große Stadt, was uns im Vorbeifahren aus einigen Kilometern Entfernung nochmals richtig deutlich wird. Der Himmel bestreitet mal wieder mit der Sonne einen Wettstreit, wer denn heute schöner ist. Wir können uns nicht entscheiden, finden aber, dass zum hellen Schein der Sonne, das tiefe blau besonders gut passt. Die Straße steigt zunächst leicht, später stärker an, ehe sie sich nach gut 25km in einen richtigen kleinen Pass mit feinen Kehren aus nagelneuem Asphalt verwandelt. Ich glaube, nur Radfahrer können dieses Glücksgefühl nachvollziehen, das sich da so von Pedalumdrehung zu Pedalumdrehung im Körper breit macht. Jedenfalls hat auch diese Freude irgendwann ein Ende, und als wir die 1960m Höhe erreicht haben, freuen wir uns einerseits natürlich auf die Abfahrt, andererseits ist uns aber auch Bange, wie sich die Temperaturen 1700m tiefer anfühlen werden. Eigentlich können wir es uns ob der sehr sommerlichen Wärme hier oben schon denken…und in der Tat: Mit jedem Meter tiefer umarmt uns die gleißende Hitze ein bisschen fester, bis wir schließlich ob der großen Fürsorge mit hochroten Köpfen im Backofen der Staubstraße stehen, die sich in schwindelerregenden Kehren dem Roten Fluss nähert. Fotostopps werden fast zur Qual, da der ein bisschen für Erleichterung sorgende Fahrtwind ausbleibt. Wir fürchten schon jetzt den Aufstieg nach Sapa. Gleiche Hitze, aber dann 1500m hoch, nicht runter. Na ja, noch bleiben ja zwei Tage zum Akklimatisieren. Die Blicke auf den Fluss und die Reisterrassen, die wie von Zauberhand an den steilsten Hängen kunstvoll angelegt sind, sind wunderbar. Wie kleine Kunstwerke liegen sie in der Landschaft, für uns jedenfalls, für die Bauern der Gegend nur Mittel zum Zweck. Kann man einmal keine Blicke in die Ferne schweifen lassen, liegt das zumeist an dem riesigen Bambus, dessen Rohre bis zu 20 Meter in großen Bündeln neben der Straße aufragen. In Wind wogen diese in saftigem Grün und bilden eine faszinierende Gasse. Die Straße lässt einmal mehr zu wünschen übrig, so dass die Ausblicke aus dem Sattel nur kurz sein können , um nicht durch eine der Bodenwelle aus selbigem herauskatapultiert zu werden. 40km und 1700 Höhenmeter später stehen wir im Tal des Roten Flusses, am Hong He. Über sieben Kilometer Schotter müssen wir noch hoppeln, dann rollen wir in Nansha ein. Und wieder mal war heute dieses zwiegespaltene Gefühl, zwischen zwei Welten zu pendeln. Auf „offener“ Strecke fühlt man sich teilweise wie in einem Entwicklungsland. Wenn man so durch die kleinen Straßendörfer fährt, kurze Blicke auf die Menschen, die Behausungen und den sich stapelnden Müll erheischt, bevor man sich wieder der Straße widmet, um nicht in eines der Schlaglöcher zu donnern. Dann wieder die entwickelten Städte, Läden, Restaurants, Hotels, gute Straßen, auf denen sich Leben abspielt, konsumiert wird…Mit diesem Widerspruch wird man in China wohl noch eine Weile leben müssen, bis sich die Welten irgendwann ineinander verzahnen – oder auch nicht.

Wir erwischen jedenfalls mal wieder ein KTV (Karaoke)-Hotel und schützen uns derzeit mit Musik aus den eigenen Kopfhörern vor den schrägen Klängen. Das Abendessen verdauen wir mit einem kühlen Bier. Ein nettes Restaurant hat lecker für uns aufgekocht und uns mit verschiedenen Gemüsen, Schweinefleisch-Streifen, delikat würzigen Rindfleischspießchen und Mini-Broten versorgt. Die neue Höhenlage und die südliche Region führt dann noch zu lustigen Kakerlaken-Jagdszenen im Zimmer, die schließlich damit enden, dass der Eimer für das Klopapier auf das sieben Zentimeter-Krabbelviech gestülpt wird, der nun direkt neben dem Fernseher thront. Na dann, gute Nacht!

09Nov2009

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