Ein kulinarischer Brückenschlag

30.11.2009 (k) – HoiAn

“We start at 8.15 with a welcome drink in the Hai Café” – so die Ausschreibung des Kochkurses, den wir schon im Voraus per Internet gebucht haben, und der unseren Tag heute füllen wird. Wir finden uns pünktlich ein und wählen Cappuccino. Der „Deluxe“-Kurs ist bis 15 Uhr angesetzt, im lauschigen Garten des Hai Cafés beäugen wir neugierig andere Ankömmlinge – wer wird wohl mit uns zusammen pritscheln, wer gehört zum Halbtageskurs? Die Angestellten weisen die Plätze jedoch recht gezielt zu: links der Halbtageskurs, rechts die Profis. 18 Füße folgen bald darauf Phi, der unser Guide und Chef ist (wie er selbst stolz sagt, da der echte Chef heute unpässlich sei), zum Minivan: vier gehören einem australischen Paar mittleren Alters, vier gehören einem ebensolchen unseren Alters, zwei gehören einer jungen Frau aus Amerika und acht gehören Molle, Helga, Uschi und mir. Im einige Kilometer entfernten Kräutergarten erklärt uns Phi die verschiedenen Kräuter der Vietnamesischen Küche. In der großen Anlage wachsen Thai-Basilikum, Koriander, Minzen, Frühlingszwiebeln und andere Gerichteverfeinerer. Ein Handstrich durch einen dicken Buschen und schon ist ein wunderbare s Parfüm aufgetragen. In einer angrenzenden Laube wird uns noch ein „herbal drink“ kredenzt – sieht aus wie ein Zuckerwasser mit Froschlaich – schmeckt aber vorzüglich und es handelt sich lediglich um Samen der Vietnamesischen Minze. Im Anschluss wird die Gruppe über den Markt geschleppt. Ist etwas komisch, so als Touristengruppe aufzutreten – doch wer noch wenig Erfahrung mit asiatischen Märkten hat, findet es vielleicht erlebnisreich. Die Einkäufe, die wir tätigen, sind eher pseudomäßig, da der größte Teil der Zutaten sowieso schon in der Kochschule ist. Die Red Bridge Cookery School liegt 5km außerhalb HoiAns in einem tropischen Setting zwischen Palmen am Fluss. Alles ist sehr neu und edel, sogar ein 20m Swimmingpool ziert die Anlage. Neben der Kochschule wird hier außerdem ein Restaurant betrieben. Unsere Arbeitsplätze mit Blick auf den für uns bereiteten Tisch und den Pool sind hergerichtet, da wir „Deluxler“ sind, haben wir die Getränke inklusive und lassen zum Grillen der Rinderknochen, die wir für die Suppe benötigen, gleich mal barbecuemäßig die Kronkorken knallen. Die Pho Bo, von der wir ja schon am ersten Tag in Vietnam berichtet haben, steht als erstes auf dem Programm. Von der Pike auf wird dieses traditionelle Gericht heute gekocht, was heißt, dass wir zunächst einmal die Rinderbrühe ansetzen und zwei Stunden köcheln lassen. Interessant dabei, dass alle Zutaten für die Brühe kurz gegrillt werden (außer natürlich das Wasser), um ihren besonderen Geschmack hervorzubringen (bei den Schalotten, Zwiebeln und dem Ingwer) bzw. das Fett loszuwerden (bei den Knochen). Zur Pho gehören neben den frischen Kräutern und Sprossen, die wir bereitlegen, auch feingeschnittene Chiliringe und eine halbe Limette. Während die Brühe kocht, verkünsteln wir uns an weiteren drei Gerichten, die ich hier nicht in aller Ausführlichkeit darstelle: „fish in a claypot“, „Shrimps in banana leave“ und „green papaya salad with grilled chicken“. Wer wissen möchte, wie es geht und schmeckt: ab Mitte April 2010 soll der Kurs auch in einer Filiale in Sonthofen abgehalten werden. Das Herstellen frischer Reisnudeln stellt dann kurz vor dem Essen noch ein Herausforderung dar, die aber alle Teilnehmer bravourös meistern: über einem Topf, in dem Wasser kocht, ist ein Baumwollstoff wie ein Trommelfell gespannt. Darauf verteilt man einen Schöpfer angesetzten Reissud und versucht, einen französischen Crepesbäcker zu imitieren. Nach einer knappen Minute kann man den dünnen Fladen kunstvoll herunterlupfen , falten und in Streifen schneiden. In der heißen Brühe lösen sich dann die einzelnen Schichten voneinander und man hat, je nach Breite, Reistagliatelle, Reistaglierini oder Reistagliolini – Reisbandnudeln halt. Das Zusammenbauen der Pho Bo geht dann folgendermaßen vonstatten: die Nudeln werden ganz kurz zusammen mit einer Handvoll Sojabohnensprossen in einem Siebschöpfer gekocht, in die Schale gegeben, mit rohem (!), hauchdünn geschnittenen Rinderfilet bedeckt und mit kochender (!) Brühe übergossen. Am Essplatz fügt man die Kräuter, Chilis und den Saft der Limette nach Geschmack hinzu und fertig ist ein leckeres Frühstück oder eine kleine Zwischenmahlzeit sowie eine Augenweide. Hungrig schlürfen wir nun auch alle unsere Pho, bevor wir uns an das Fertigstellen der oben genannten Gerichte machen. Phi erklärt gut, zeigt Tricks und macht ein paar Späßchen – es ist nett, zusammen zu kochen, die Gruppengröße ist ideal. Im modern-edlen Ambiente des Restaurants dürfen dann auch unsere Gaumen die Freude an unseren kleinen kulinarischen Kunstwerken mit den Augen teilen. Und wenn auch ein Boot unsere vollen Bäuche zurück nach HoiAn tuckert, so haben wir doch das Gefühl, dass durch den heutigen Tag eine Brücke zwischen der Küche Vietnams und uns geschlagen wurde. Wir probieren im Anschluss die maßgeschneiderten Kleidungsstücke. Bei meinem traditionellen vietnamesischen Kleid – wer heiratet eigentlich noch, damit ich es mal tragen kann? – muss noch ein Abnäher geändert werden. Außerdem haben sie mir einen nonnenhaften Kragen verpasst, doch daran ist nichts mehr zu machen. Meine weiße Leinenbluse ist noch gut ein paar Zentimeter zu weit – hätte ich gestern beim Ausmessen wohl besser doch nicht meine riesige Sportlerlunge füllen sollen! Molles Hemd passt wie angegossen. Der kurze Rest des Tages „steht zur freien Verfügung“, bevor wir gegen Abend im „Secret Garden“ die Schätze des dortigen Küchenchefs genießen dürfen. Zur heutigen Vollmondparty ist der Ort vor allem am Fluss versammelt. Überall werden kleine Laternen verkauft, die man auf dem Wasser aussetzen kann, um Glück für die Familie zu wünschen. Wir wünschen uns das auch ohne Laterne, sehen aber dem Schauspiel eine Weile zu. In einer Weinbar lassen wir den schönen Tag noch einmal Revue passieren, und als es zu regnen beginnt, zeigt sich einmal mehr die bewundernswerte Flexibilität und fröhliche Geschäftigkeit der Vietnamesen, als keine zwei Minuten nach den ersten Tropfen die Straßenverkäuferin, der ich noch soeben zwei Tüten Ingwer abgekauft hatte, und die eigentlich nur noch Erdnüsse im Programm hatte, mit Einmal-Regenmänteln vor uns steht – selbst schon vorbildlich eingekleidet, triefend und fröhlich lachend. So ein Organisationstalent muss belohnt werden: wir wählen einen blauen und einen gelben, für Helgas und Ursulas trockenen Heimweg ins Hotel.

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