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Ein Visum zu Weihnachten

von sabbatradler
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24.12./25.12.2009 (k) – Nong Khai – Vientiane: 28km, 30Hm

Wir kriechen am Boden unserer Villa entlang, tasten uns zentimeterweise voran – irgendwo müssen doch die beiden Minischrauben sein, die gerade von Franzis von Philip geöffnetem Tacho gepurzelt sind, als sie ihn einpacken wollte. Die Hektik des Morgens lässt uns schneller kriechen. Molle sitzt schon fertig gepackt vor dem Hotel auf dem Fahrrad, den Fuß zum Tritt bereit, die Villa ist ausgecheckt, ordnungsgemäß wurden uns noch 25 Cent für das Zerbrechen einer Wasserglasflasche abgezogen (40 Euro für die nächste Nacht, die das Zimmer freisteht sind ja auch wirklich wenig!), das „famous breakfast“ (wir sagen mal, der Durchschnitt an Ei, Toast, Nudelsuppe, Cornflakes und zweierlei Früchten sowie Nescafé) wird schon von der Magensäure beackert. Und da sind sie! Beide Schräublein werden zur Sicherheit eingetütet, die Morgengymnastik ist damit beendet und endlich kann es losgehen, zur wenige Kilometer entfernten Freundschaftsbrücke, die Thailand mit Laos verbindet. Bei 28 Kilometern Radellänge ist im Grunde keine Hektik angesagt, doch wir müssen unbedingt vor 11.30 Uhr in der Chinesischen Botschaft sein, Franzi und Philip vor 12.00 Uhr in der Thailändischen. Da wir nicht wissen, wie lange der Grenzübertritt dauert, ist nun Eile angesagt. Die thailändischen Grenzer setzen ihren Stempel routiniert und innerhalb einer Minute – sehr lobenswert. Auch die Formalitäten für das Visa on Arrival in Laos sind innerhalb einer knappen halben Stunde erledigt und wir treten rechtsseitig in die Pedale, und erreichen rechtzeitig unsere Botschaften in Laos Hauptstadt, die sich als beschaulich und gemütlich entpuppt.

Schon von vielen Reisenden haben wir gehört und gelesen, dass das Chinavisum hier besonders leicht zu bekommen ist, und so wagen wir uns gleich an ein double-entry-60-days-express. Ja klar, meint der nette Beamte, morgen Früh um 9.00 Uhr könnten wir es abholen. Mit 68 Dollar pro Aufkleber (20 davon für den Expresservice) sind wir dabei und glücklich und zufrieden. Wir treffen Philip und Franzi, die ihrerseits erfolgreich waren und ihr Thailandvisum morgen Nachmittag abholen können, wie abgemacht an einem Guesthouse, in das wir aber nicht einziehen. Die Zimmersuche führt uns zu einem nagelneu aussehenden Hotel mit chinesischem Charme. Für 30 Dollar dürfen wir zu viert ins Triplezimmer – optimal – wir bezahlen gleich für zwei Nächte.

Da wir morgen sowieso noch hier bleiben, ist heute nur noch gemütliches „Cruisen“ durch die Stadt und allgemeine Orientierung auf dem Programm. Naja, und natürlich Magenfüllendes. „Der beste Inder der Stadt“ – na, wenn das nicht eine Aussage ist, Stefan (Loose)! Eine Stunde später sind wir nahe daran, diesen orangefarbenen Leitfaden gleich unter die Speisereste, die wir beim besten Willen nicht mehr hinunterkriegen, zu mixen. Klarer Fall: „der schlechteste Inder der Stadt!“ – ganz ohne die anderen zu kennen, verleihen wir dieses Prädikat und sind fast ein wenig neidisch, als ein Westnasen-Arschloch, der die Treppe heraufkommt und sich vor der schmächtigen Bedienung mit den Worten „open or close?“ aufbaut mit der Antwort „close“ wieder umdrehen muss.

Molle – unser Kulinari-Schlumpf – versucht gleich sein Frustrationserlebnis mit einem Cafébesuch, den wir natürlich begleiten, zu kompensieren, doch so richtig gelingt das auf der mit Kloakenluft geschwängerten Terrasse und ohne irgendein besonderes Leckerli auch nicht. Nun gut, da kümmern wir uns eben um Wichtigeres und statten dem COPE („Cooperative Orthotic an Prosthetic Enterprise“) einen Besuch ab. Die Organisation kümmert sich wirkungsvoll um die Situation von Amputierten. Aufgrund der vielen Blindgänger, mit denen Laos nach wie vor übersäht ist, sind häufig auch Kinder unter den Opfern, die beim Metallsuchen (es gibt viel Geld vom Metallhändler für den Schrott) verletzt werden. Das Besucherzentrum ist liebevoll entworfen und mit vielen interessanten Informationen gespickt. Am wohl spendenintensivsten Tag des Jahres leisten auch wir unseren Beitrag und finanzieren eine Prothese und zwei Röntgenaufnahmen. Wer das Spenden dieses Jahr vergessen hat, hier wird es auch online möglich: www.copelaos.org (sehr unterstützenswert!).

Der nahende „Sunset“, den man hier natürlich am Fluss erleben muss, führt uns auf ein Bänklein an ebendiesem, auf dem das Beer Lao Dark besonders gut schmeckt und wir alle in ein hübsches, rotes Heiligabend-Licht getaucht werden.

Unsere weitere Weihnachtsfeier verlegen wir ins „Khop Chai Deu“, das uns mit reichlich Bier, laotischen und thailändischen Speisen sowie Singer-Songwirter-Livemusic verwöhnt.

Zwei Minuten vor „hotel close“ stürmen wir ins Foyer und auf dem Zimmer gibt es dann die große Bescherung mit Schal für Franzi aus Vietnam, Bierstubby von Cobe und Biergutschein für Philip, Massageöl und eine neue Visa-Card für mich und Unterhosen für Kamol aus der Heimat. Dort versuchen wir dann noch bis spät in die Nacht hinein anzurufen, doch das Netz will hier nicht mehr so recht und so erreichen wir nur ein paar Leute für große Verzögerungsgespräche.

Als wir das wertvolle Einreisedokument für unsere Rückkehr nach China am nächsten Morgen stolz in den Händen halten, verstehen wir, was der Wortlaut genau bedeutet: wir dürfen jetzt zweimal 60 Tage im Reich der Mitte bleiben – ja so ein Luxus, da müssen wir uns wirklich überlegen, ob wir im März schon die Heimfahrt antreten wollen! Auf dem Rückweg zum Hotel entdecken wir einen Specialized-Bikeshop und leisten uns neue Ständer – endlich wieder Bilder machen, ohne Parkgelegenheit – oder mal schnell überall pieseln! Molle bekommt noch eine neue Klingel, einen Getränkehalter und neue Griffe – ja heute ist doch Weihnachten! Unsere Räder sind laut Mechanikern noch optimal zentriert und so gibt es nichts mehr zu tun. Wurden ja auch von Richie eingespeicht!

Mit Philip und Franzi starten wir zunächst fürs zweite Frühstück in eine Fö-Bude und sprechen dann nochmals in dem gut sortierten Radladen vor. Für Franzi gibt es einen Rückspiegel, wir kaufen neue Ketten (nach 5000km sei das schon gut, meint Philip, der sie uns ja auch wechseln wird) und noch ein paar Kleinigkeiten. Dem berühmten „morning market“, der aber leider fast schon komplett von hässlichen Shoppingmals ersetzt ist, statten wir einen Besuch ab und kaufen einen kleinen Tauchsieder bei einem Werkzeug-und-Sonstnochsozeug-Meier, der für uns die nächste Zeit das Suppenwasser in der Früh erhitzen soll. Nach einer Kaffeepause kaufen wir noch Fertigsuppen und sonstige Fahrradfressalien und eine Thermoskanne für Philfran, bevor wir dann zum religiösen Wahrzeichen Vientianes aufbrechen, dem That Luang.  Der Tempel hat zwar bereits geschlossen, doch wir genießen den Blick auf die golden in der Abendsonne leuchtende Stupa und freuen uns, dass wir noch zu viert hier sitzen können. Die Freude darüber rührt daher, dass wir kurz zuvor im Hotelzimmer den kleinen Tauchsieder ausprobiert haben – man muss ja wissen, ob das Teil funktioniert. Als Philip ihn mutig einsteckt folgen ein lauter Knall und ein Blitz in der Steckdose und der Tauchsieder hat einen Bauchdurchschuss erlitten. Gott sei Dank hat Philip nur das billige Plastik des Teils berührt und nicht das billige Blech. Das wars mal wieder mit der guten chinesischen Qualitätsware!

Als sich die Sonne senkt, legen wir eine rasante Fahrt durch die Einbahnstraßen und über die Ampeln der kleinen Metropole hin. Wir wollen den Sonnenuntergang doch wieder am Fluss bewundern. Wir schaffen es gerade noch so, lassen uns in einem netten Lokal nieder, genießen Bier und Happy-Hour-Mai-Thai sowie vom Kulinari-Schlumpf ausgewählte Snacks. So hat wieder der gemütliche Teil des Abends begonnen. Auf zwei asiatische Gerichte geben wir dem Stefan (Loose) noch eine letzte Chance: im „heißesten Tipp der Stadt“ essen wir Tofu und Cashewnüsse, die erste Seite der Speisekarte entspricht dem Deckblatt unseres Reiseführers! Dennoch sind wir die einzigen Gäste. Zu früh gefreut, den weihnachtlichen Klängen entkommen zu sein sitzen wir hier bei „Jingle Bells“ und „White Christmas“ im nett angelegten tropischen Garten. Nicht allzu schlecht, doch unser Vertrauen in den Führer ist weg – auf geht’s noch ins „Le Provencal“ – zwei Holzofenpizzen ziehen.

Im Hotel ist das Internet heute zuverlässiger. Wir quatschen noch mit ein paar Freunden zu Hause und schlüpfen dann unter die Netze, denn ab morgen wird geradelt.

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