Fast wie zu Hause

24.02.2010 (m) – Organisationstag in Kunming

Ein großes, helles Zimmer mit einem wunderschönen Doppelbett, eine heiße Regendusche, Olympiafernsehen flackert vor uns, der Laptop präsentiert aus dem Internet die neuesten Nachrichten, der Kaffe dampft heiß aus den Bechern und wir verdrücken ein kleines Croissant dazu. Nein, nein, wir schreiben diesen Blog nicht aus unserem neuen Zuhause, sondern aus dem Hotelzimmer in Kunming. Es fühlt sich nur ein bisschen an wie zu Hause. Und wir genießen das auch. Nach den vielen staubigen, anstrengenden und auch atemberaubend schönen Bergetappen der vergangenen Wochen sind so ein paar luxuriöse Tage durchaus willkommen. Unser Hauptziel hier ist es, Zugtickets nach Hongkong zu ergattern, was in Anbetracht der auslaufenden Frühlingsferien durchaus noch abenteuerlich werden könnte. Wir verschieben das Vorhaben jedenfalls erstmal auf nach dem Mittagessen und wollen unser Glück zunächst über ein Reisebüro versuchen. Der Mann am Schalter lächelt aber nur müde und verweist auf den nächsten Monat: „Go yourself at the train station!“ Mit dieser Aussage dämmert uns, dass es tatsächlich ein klein bisschen schwierig werden dürfte, das Ziel in absehbarer Zeit zu erreichen. Katrin zieht dann jedenfalls todesmutig los, um eine gute Stunde später zurückzukehren: „Sowas hab‘ ich ja überhaupt noch nie erlebt!“ Der gesamte Bahnhofsvorplatz ist mit ca. 20 Sonderschalter-Baracken unter einem rieseigen Zeltdach zugestellt. Vor jedem dieser Schalter ist eine etwa 50 Meter lange Schlange…Neben einem Haufen Geduld bräuchte man auch noch den richtigen Riecher, den korrekten Schalter zu erwischen, an dem es die Tickets nach Guangzhou dann auch wirklich gibt. Erstens kann man aber die Schilder nicht lesen und zweitens dürfte jeder, der schonmal versucht hat, sich mit Chinesen irgendwo anzustellen – und seien es auch nur zwei andere – ob der Rücksichtslosigkeit der „Schlangen“-Menschen von einem derartigen Vorhaben absehen. Vielleicht ist es in der Früh besser? Wir verschieben die Aktion also mal auf morgen. Notfalls werden wir unsere Pläne eben ein bisschen umwerfen müssen und die Stadt per Rad verlassen. So quasi von Bahnhof zu Bahnhof. Wir könnten ja auf Zeit spielen und so lange weiterfahren, bis die 200 Millionen Chinesen alle wieder da sind, wo sie hingehören. Das könnte aber vermutlich bis Mitte März dauern. Nur gut, dass wir keinen Stress haben.

Eine Bäckerei oder das, was die Chinesen darunter verstehen, haben wir auch hier um die Ecke, so dass wir uns das Kopfzerbrechen, wie wir an die Tickets kommen sollen mit Hefegebäcken und Nescafé versüßen. Schließlich fassen wir den Entschluss, einmal um den Block zu spazieren und dabei noch einige Reisebüros abzuklappern, in der Hoffnung, wenigstens einer würde sich erbarmen, uns, gegen ein Aufgeld natürlich, vom Schlange stehen und von Frustrationserlebnissen zu befreien – mei you, um es kurz zu machen! Na, wenigstens eine neue Jeans kann ich nach dem Spaziergang mein Eigen nennen. Der Schaufenstermann hatte genau meine Größe und dazu eine modische Hose an, genau aus einem so leichten Stoff, wie er für Fahrradpacktaschen geeignet ist. Zwei Anproben später wackeln wir mit einer „super-trendy“ Stofftüte aus der Boutique – hach, was sind wir stylisch. Ne, Spaß beiseite. Meine alte Reisehose sieht nicht mehr so ganz taufrisch aus und da habe ich die Gelegenheit spontan ergriffen, für 15 Euro eine schnittige (wahrscheinlich vor Chemie strotzende und von einer unterbezahlten, kleinen Chinesin geschneiderte) Hose zu erstehen. Etwas weiter um den Block laufen wir dann an einem sehr belebten, lauten Lokal vorbei. Aus der Küche dröhnt der Kochlärm, Flammen schlagen aus den Woks: Hier sind wir genau richtig. Vor wenigen Minuten haben wir unsere „How to order chinese food“-Liste, die ich am PC etwas überarbeitet habe (im Wesentlichen habe ich unsere Lieblingsgerichte kompakt auf ein paar Seiten gebracht), neu ausgedruckt. Und die fröhliche Bedienung freut sich, dass sie da was lesen kann und auch Speisen findet, die die Kochmannschaft im Hintergrund zubereiten kann. Neugierig späht diese dann, nachdem die Werke ausgeliefert sind, durch die leicht schmierige, aber immer noch durchsichtige Scheibe, an unseren Tisch. Die kräftig gewürzten Schweine- und Rindfleischstreifen fachmännisch hineinstopfend winken wir hinüber und bekommen ein schüchternes Lächeln zurück gesendet. Da sind wir mitten in Kunming, wo ja wahrlich ein paar Westnasen herumlaufen und dennoch scheinen hier noch nicht allzu viele hereingeschneit zu sein. Die Laogwai sind eben in China noch immer etwas Besonderes.Und das wiederum ist eben so gar nicht wie zu Hause.

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