Nur eine kurze, dafür sehr Auto- und LKW-reiche, Etappe weiter erreichten wir Fujairah. Eine mittelgroße Stadt, am Meer gelegen, eingerahmt von den brauen, hohen und zackigen Bergen des Hadjar. Wir hatten das Glück dort bei Dave und Raquel, einem irisch-portugiesischen Paar, das dort seit etwa vier Jahren als Lehrer arbeitet, unterzukommen. Die Couchsurfing-Plattform brachte uns zusammen. Per Mail bekamen wir die Adresse, sie kämen erst später von der Arbeit, die Türe stünde eh immer offen. Wir sollten uns eine Dusche gönnen und uns in der Küche bedienen. Gäbe es so etwas in Deutschland?
Zum Abendessen gabs Lasagne, dazu ein Gläschen Weißwein und interessante Gespräche. So langsam reichte es ihnen in den Emiraten, es zöge sie weiter. Erstmal wollten sie reisen, Iran, Zentralamerika, dann wohl nach Portugal ziehen, wo sie schon ein Haus besäßen.
Dave kümmerte sich sehr aufmerksam um uns, fuhr uns zur nagelneuen, riesigen (noch nicht einmal eröffneten) Moschee der Stadt, ins Hinterland in die Berge zum alten Fort.
Wir konnten die beiden sogar auch zum Schnorchelausflug an den Al Aqqa-Strand begleiten. Sie stellten uns die Ausrüstung, Dave machte wunderschöne Filmaufnahmen von uns und den Schildkröten, die dort in aller Seelenruhe an den Korallen knabberten. Wir fühlten uns pudelwohl bei den beiden. Dafür kauften wir in den gut sortierten Asia-Läden ein und verwöhnten sie (und uns) mit vietnamesichen Glücksrollen, Thai-Curry und Chinesichen Nudeln.
Viel zu schnell verging die Zeit in Fujairah und so fanden wir uns am 02.12.2015 wieder auf der Straße zurück. Es war Nationalfeiertag der VAE. Davon merkte man jedoch nicht viel. Alle Geschäfte, die von Indern betrieben werden, waren ohnehin geöffnet und natürlich verließ auch an einem solch feierlichen Tag kein Mensch sein Auto. Die waren dafür mit Flaggen und riesigen VAE-Aufklebern aufgemotzt. Und so fuhren sie einfach durch die Gegend – wie immer.
Bei Kalbah sagten wir der Küste auf Wiedersehen und drehten ins Landesinnere ab. Zunächst nur leicht steigend, später sehr stark (ca. 10% im Schnitt) kurbelten wir zum ersten der beiden Tunnel auf dem Weg nach Hatta. Nachdem wir auch die fast 300 Höhenmeter zur zweiten Röhre zurückgelegt hatten, legten wir einen Stopp ein! Der längst Tunnel der Emirate! 1,43 Kilometer. Wow! Dutzende Autos standen auf beiden Seiten am Straßenrand, aufgeregte Menschen machten ein Bild von sich und dem Tunnel. Dass da zwei Deutsche mit bepackten Rädern durchfuhren – ein sicher nicht alltäglicher Anblick – wieder mal geschenkt. Kein Mensch sah uns auch nur an. Irgendwie seltsam hier.
Es folgte ein herrliche Abfahrt, dann konnten wir die Hauptachse nach Dubai verlassen und durften auf einer „Nebenstraße“ durch herrliche Landschaft in Richtung Hatta kurbeln. Es war trotz einer Meereshöhe von inzwischen 300m immer noch viel zu heiß. Vor allem in den knackingen Anstiegen, in denen der Fahrtwind fehlte, quoll der Schweiß bei fast 38°C aus den Poren. Viel, viel trinken, kühlen Kopf bewahren, das war die Devise.
Nicht immer leicht, doch schließlich erreichten wir am frühen Nachmittag heil den Moutainbike-Trail-Park von Hatta. Dave und Raquel hatten uns den Tipp gegeben. Man könne dort kostenlos campen, es gäbe Duschen und WCs. So war es! Perfekt. Wir konnten eine kleine mit Stroh gedeckte Hütte ergattern. Dort fanden wir eine Sitzbank, Schatten und Platz für unser Zelt vor. Wie blieben drei Tage.
Am frühen Morgen (Katrin) und am späten Nachmittag (ich) erkundeten wir die von der Gemeinde in Dubai angelegten Trails in den angrenzenden Bergen. Spektakulär, was hier geleistet wurde. Innerhalb nur eines Jahres wurden die kilometerlangen Strecken angelegt, kleine Rampen, betonierte Kurven und Brücken ins Gelände eingepasst. Alle Strecken sind mit farbigen Steinen (grün, blau, rot, schwarz) markiert. Ein riesen Spaß in absolut uberwältigender Umgebung.
Der Ort zieht am Wochenende und den Feiertagen viele Expats und deren Familien aus Dubai oder Abu Dhabi an. Aber auch einige asiatische Bike-Trupps waren wieder unterwegs. Abends wurde gegrillt, Musik der 80er und 90er Marke Kuschelrock dröhnte aus den Autos, dazu ein wunderbarer Sternenhimmel. Feuerholz lag ausreichend bereit und so schürten wir abends ein paar Scheite an. Der Abschied viel uns da fast schon wieder schwer.
Jetzt wollten wir aber auch endlich in den Oman. Wir hatten schon Gerüchte vernommen, dass die VAE-Grenze in Richtung Norden eventuell geschlossen sei. Da es von unserem Platz jedoch nur 20 Kilometer waren, wagten wir einen Versuch. Zweieinhalb Stunden und gut 40 Kilometer später standen wir wieder am Ausgangspunkt. Es hatte nicht geklappt. Ein bisschen hatten wir noch gebettelt, für nicht-Araber gab es aber kein Durchkommen. U-Turn und zurück.
Wir wollten nicht wieder durch die Berge, aus denen wir vor ein paar Tagen kamen. Daher entschlossen wir uns, nach Osten an die Küste des Oman zu fahren. Die Grenzkontrollen dorthin verliefen bis auf ein paar Wartezeiten problemlos. Viel aufregender war da schon die Fahrt auf der einzig möglichen Straße: wieder mal autobahnartig. Fühlt sich immer wieder saublöd an. Gottseidank hielt sich der Schwerlastverkehr in Grenzen.
Am späten Nachmittag hatten wir die Berge schon wieder hinter uns gelassen und rollten mit der letzten Stunde Sonnenlicht in Richtung Shinas, wo wir am Strand zelten wollten. Leider sah es dort gar nicht einladend aus. Viele Zäune, trocken liegende Lagunen – eher nicht so toll. Wir fragten einen der unzähligen Omanis, die winkend und grüßend an uns vorbeifuhren, ob man denn hier zelten könnte. Die Antwort haute uns um: „Hmm, better not. Not so safety.“ Wie bitte? Dabei hatten wir überall gelesen, der Oman sei das sicherste Land, campen wäre überall erlaubt und möglich. Was sollten wir damit nun anfangen? Wir fuhren nach GPS weiter, hofften auf etwas mehr Grün. Irgendwann waren wir am Ende der Straße. Am Ende eines Wohngebietes angekommen. Ein paar versprengte Gebäude, viele Baustellen, noch mehr Staub und Sand. Weit und breit keine gute Campingstelle in Sicht. Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen in unsere Richtung. Na toll! Da sahen wir eine junge Frau mit vier Kindern, in hübschen bunten Kleidern. Katrin sprang schnell hin und fragte, ob man hier irgendwo sein Zelt aufstellen könne. Sie gab zu verstehen, dass ihr Englisch nicht so gut sei und sie ihren Mann hole, der sei Englisch-Lehrer. Auch ihm machten wir klar, was wir wollten und fragten, ob es denn hier sicher wäre. Er meinte ja, irgendwo vorne am Hafen, der Weg dorthin durch den Sand sei aber sehr anstrengend. Nach 80 Kilometern und einem langen Tag waren wir aber echt müde und so fragte ich, ob wir denn nicht einfach hier vorne, gleich in der Nähe seines Hauses das Zelt platzieren könnten. „Ah, you want to rest. You can come to my house. It‘s for you now. Stay. As long as you want.“ Und so öffnete sich ein kleines Tor.
Zum Vorschein kam ein großer Garten, an den sich im hinteren Teil ein weißees, mittelgroßes, quaderförmiges Gebäude anschloss. Sein Gästehaus. Im Innern nur ein einziger Raum, ausgelegt mit einem riesigen Teppich, dazu an der Wand entlang ca. 20 Sitzplätze.
Er händigte uns den Schlüssel aus, zeigte uns die Dusche und meinte, in einer Stunde sei er dann mit dem Abendessen zurück. Wir blickten uns ziemlich ratlos an und googleten später erstmal nach den islamischen Gepflogenheiten bezüglich Gastfreundschaft. Dass man zuerst dreimal ablehnen muss, das wussten wir schon. Und das machten wir natürlich auch. Aber, jemanden zu beherbergen sei die Verbindung zwischen Gastgeber, Gast und Gott. Es ist kein Geschenk, sondern vielmehr Pflicht für den Gläubigen. Mindestens 24 Stunden muss man bleiben, eigentlich am besten drei Tage. Ist das nicht unglaublich? Als wir uns erfrischt und schöne Klamotten angezogen hatten, klopfte es auch schon am Gartentor. Wir bekamen frisch gegrillten Fisch, Pommes Frites, Hummus in zwei Varianten, Fladenbrot und Tomaten.
Schnell verabschiedete sich Mohammad wieder und wünschte eine gute Nacht. Wir konnten es immer noch kaum glauben. Wir zwei, da saßen wir, an unserem ersten Abend im Oman, auf der Terrasse „unseres“ Hauses, den leckersten Fisch, den man sich vorstellen kann, vor uns und die Einladung noch mindestens eine weitere Nacht bleiben zu „müssen“.