02.05.2010 (m) Beppu – Kokonoe: 67km, 1500 Hm
Das Internetcafé, in das wir uns der Bequemlichkeit halber gestern nach der Fährfahrt noch einquartiert haben, war das genialste bisher: als Molle gestern anfragte, welche Angebote es für die Nacht gibt, sagte die nette Dame: „we have Tatami-Room“. Und tatsächlich: ein Familienzimmer von ungefähr 10 Quadratmetern, ausgelegt mit Tatamimatten, mit einem PC, einem Tischchen und einem Flachbildfernseher von der Fläche eines gewöhnlichen Badezimmers (den wir leider nicht gebraucht haben) wurde uns zu zweit für 30 Euro überlassen. Bereits um 7 Uhr spuckt uns das Café zwar wieder aus, das ist aber äußerst vorteilhaft: einerseits steht heute ein strammes Programm bevor, andererseits bleibt mehr Zeit, um Unvorhergesehenes in das Zeitbudget zu integrieren. Heute in Form von Wäschewaschen. Wir rollen bei der Ausfahrt aus der Stadt an einem Münz-Waschsalon vorbei und beschließen kurzerhand einen Wäschestopp einzulegen. Wie in der Werbung (welcher Spot war das noch?) schlüpfen wir vor dem Laden aus unseren aktuellen Radklamotten, da diese natürlich auch eine Portion Frische bekommen sollen. Wir wählen den ollen Toploader, das die modernen Waschtrommeln der Japaner irgendwie ohne Waschpulver auskommen. Sauber wird das Zeug zwar wohl, aber es fehlt diese Persilfrische. Und wir wollen doch wenigstens kurz an frischer Wäsche schnüffeln, ehe wieder der Radlerschweiß Einzug hält.
Der Anstieg aus der Stadt ist gleich kräftig – so wie es auch den ganzen Tag bleiben soll. Die Straßen sind nicht schlecht gebaut, für Autos. Langgezogene Steigungen ohne viel Kurverei. Steile Rampen, bei denen man einige hundert Meter nach vorne sieht sind aber nicht gerade nach unserem Geschmack. Was verkehrsmäßig aber heute abläuft, sucht Seinesgleichen. Ok, ist schon klar, dass vom 29.4. – 05.05. die Goldene Woche ist, also sowas wie Weihnachten, Ostern und Neujahr in einer Woche und dass ganz Japan auf Achse ist. Aber mit einem solchen Ansturm hatten wir nicht gerechnet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Autoschlange eigentlich den ganzen Tag nicht abreißt. Kleinwagen, Kleinbusse, Jeeps – alles in weiß (bis auf wenige Ausnahmen), dazu knatternde Motorräder in rauen Mengen. Männer allen Alters mit lustigen Lederjacken, amerikanischen Flaggen, Käppis, so schwer beladen, dass sie die Welt umrunden könnten. Das schöne dabei ist, dass sie echt gesittet fahren und gemütlich die Straßen entlang tuckern. Auch die Autos überholen nur, wenn etwas Platz ist. So ist das Ganze nicht gefährlich, aber dennoch sehr nervig. Die ständige Geräuschkulisse und die Abgase tun ihr Übriges dazu. Daneben durchfahren wir aber eine wunderbare Vulkanlandschaft bei Kaiserwetter. Das Gebiet ist vulkanischen Ursprungs und daher für Touristen sehr attraktiv. Die zahlreichen heißen Quellen in der Region bieten zusammen mit den unzähligen Hotels natürlich beste Erholungsaussichten für den gestressten Japaner.
Zwei Kilometer vor der ersten Passhöhe staut sich der Verkehr urplötzlich. Späte Genugtuung, denn wir können an mindestens 100 Autos vorbeisausen. Wenig später klärt sich auf, warum es hier stockt. Wir sind am Kojima Kogen, einem Freizeitpark, der sich neben einem Golfplatz auf einem Plateu erstreckt. Ja, da muss man an so einem herrlichen Tag unbedingt hin, um nach der Anfahrt in einer Blechkolonne noch eine Stunde auf einen Parkplatz zu warten, um dann mit tausenden anderen Japanern am Sushistand, dem Riesenrad und der Achterbahn wieder in einer Schlange zu stehen. Da jammern sie immer, sie hätten so wenig Urlaub, und wenn sie ihn dann haben, machen sie so einen Schmarrn…wir ziehen locker weiter und erreichen wenig später den Pass, wo wir auf einer Wiese unterhalb eines sehr ansehnlichen Vulkans zwischen Lavabrocken unsere Nudeln vertilgen.
Eine kurze und knackige Abfahrt führt uns nach Minamiyufa, von wo aus der nächste Anstieg im Blechhaufen auf uns wartet. Wir versuchen eine Gelegenheit zu ergattern, um den Autos zu entkommen und folgen einer kleinen „weißen“ Straße unserer Karte. Wir rauschen zu einem kleinen See hinab, nur um wenig später durch den Wald auf Schottersträßchen steilst bergauf zu kämpfen. Als wir die Straße wieder erreichen geben wir uns geschlagen und dem abendlichen, nach wie vor extrem starken, Verkehr hin. Mit der Abenddämmerung steuern wir einen Onsen an. Dies ist der kleinste, den wir bisher aufgesucht haben und für gut 2,50 Euro dürfen wir in einem Minibecken stinkigem Schwefelwasser sitzen. Na ja, die Duschen davor und danach sind ohnehin nach einem schweißtreibenden Arbeitstag das wichtigste. Im Tatami-Raum schwitzen wir ordentlich nach und warten darauf, dass der Laden schließt und alle in ihre Hotels zum Stopfen gehen. Dann können wir uns nämlich um die Ecke verziehen und unser Zelt im Reisfeld (trocken!) aufstellen und auf unserem kleinen Kocher unsere Köstlichkeiten brutzeln. Es ist sternenklar, ein Bächlein plätschert, die Frösche haben ihr Konzert begonnen. Und wir, sitzen da, ganz allein, inmitten der Natur, in einem Land mit 120 Millionen Einwohnern und gefühlten 10 Milliarden Autos. Daran denken wir aber in diesem Moment nicht.