Der erste ernstzunehmende Ort in Kroatien kommt nach knapp 20 hügligen Kilometern auf verkehrsarmer Straße und heißt „Generalski Stol“. Fast keiner mehr von uns hat Wasser, das Essen beläuft sich auch nur noch auf altes Brot und Müsliriegel. Doch der Entwicklungsstand ist hier auch nicht gerade überwältigend: keine Bancomat, ein Restaurant, das wohl schonmal Kreditkarten gesehen hat, aber erst ab 16 Uhr was zu essen macht und ein Krämerladen, der keine Euros akzeptiert. Ohne Kuna keine Knabbereien! Hallo, könnt ihr das EU-Aufnahmeverfahren für Kroatien bitte etwas beschleunigen!! Uns bleibt nichts anderes übrig, als unsere Route zu ändern, und auf einer größeren Straße noch gut 20 Kilometer bis Josipdol zu radeln, wo es immerhin einen Bankautomaten an einem Hotel gibt. Dieses Hotel ist auch gleichzeitig unsere Mittagsflucht – wir bestellen „Nocci Gorgonzola“, „Tofu-Kebab“, „Spaghetti Bolognese“ und „Maccaroni auf Sizilien“, die allerdings auch „Fussili in Öl mit Gemüsespuren“ heißen könnten. Aber wir wollen nicht zu anspruchsvoll sein – selber schuld, wenn wir nichts vom heute extra aufgespießten, ganzen Lamm haben wollen, das neben uns über dem Feuer rotiert.
Ein kleiner Laden hat sogar geöffnet, so dass wir noch die Wasservorräte auffüllen und Notnudeln ergattern (man weiß ja nie, wo man rauskommt) können, bevor wir die Straße in Richtung „Plitvice Jezera“ einschlagen. Gut 30 Kilometer geht es bis Jezero. Es scheint nicht viel Gebiet besiedelt zu sein, und es häufen sich verfallene, verlassene Häuser. Bei vielen Häusern ist der Putz durchlöchert, sieht für uns je mehr wir davon sehen desto klarer nach Einschusslöchern von Maschinengewehren aus. Man kann sich gar nicht vorstellen, warum in diesem Nichts – kaum Dörfer, viel Natur – so so bestialisch gekämpft wurde. Immer klarer wird uns, wie dumm der Mensch (oder leider einige davon) doch ist. In Jezero verlängert sich unsere heutige Etappe noch einmal, da wir eine geplante „weiße“ Straße nicht finden und noch weitere 40 Kilometer der Hauptachse „42“ zu den Plitvicer Seen folgen müssen. Jetzt geht es allerdings richtig hinauf in die Berge. Eine tolle Strecke, die wir so langsam und gemütlich fahren (außerdem müssen wir so viele Ruinenhäuser fotografieren), dass die Strapazen sich in Grenzen halten. Die Dörfer Jesenica und Saborsko sind langgezogene Straßendörfer, in denen sich das Leben vor dem Haus abspielt. Es herrscht Feierabend- oder Freitagsstimmung. Einige Partys sind am Start, die Grills sind angeworfen, die Männer sitzen zusammen beim Bierchen in Ortscafe und die Frauen tratschen mit den Kindern auf dem Arm oder im Kinderwagen. Je näher wir Plitvice kommen, desto gepflegter wird auch wieder der äußere Schein. Es stehen extrem viele Häuser ihm Rohbau da bzw. sind sie wohl fertig und teilweise auch bewohnt, aber ohne Außenputz. Wir können nur spekulieren, warum. Kein Geld mehr? Noch nicht ganz fertig? Alten Putz, der zerschossen war weggemacht und renoviert? Irgendwo können wir vielleicht mal Informationen darüber finden. Aber es wirkt auf uns, wie ein neuer Stil. Wer braucht schon Putz? 15 Kilometer vor Plitvice kommt uns bei einer Unterzuckervermeidungspause am Straßenrand ein bepackter Radler entgegen, der kurz grüßend vorbei fährt. 10 Minuten später kommt sein Freund, der bei uns kurz anhält, Die beiden sind aus Polen und haben von dort aus schon eine tolle Runde gefahren: Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien, Albanien, Kosovo, Montenegro, Serbien und Bosnien. Davon schwärmt er, vor allem von der Gastfreundschaft der Menschen. Wir sind gespannt, ein wenig kommen wir ja auch noch durch Bosnien. Für uns geht es nur noch 4 Kilometer leicht hinauf und dann eine tolle Abfahrt am Rand des Nationalparks hinunter zur Hauptstraße, an der sich zwei Kilometer weiter der riesige Autocamp „Korana“ befindet. Eine lange, aber sehr schöne Etappe. Da ist an Kochen gar nicht mehr zu denken. Wir versenken unsere Zelte in einer Mulde und statten nach dem Ankunftsbierchen dem Restaurant einen Besuch ab. Ein wenig wie im Yugoslawien vor 20 Jahren. Raznici und Djuvec Reis lassen grüßen. Und unsere Kuna nehmen sie auch.
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