Mit dem „Flying Poseidon“ flogen wir tatsächlich regelrecht über das spiegelglatte Meer bis nach Rhodos. Und schon hatten wir die Türkei wieder verlassen. Viel zu kurz waren wir dort, da waren wir uns schnell einig. Aber wir sind ja auf der Heimreise und nicht im Urlaub. Die Türkei hat an ihrer Südwestküste wirklich einen hohen Wohlfühlfaktor mit aufgeschlossenen und sehr gastfreundlichen Menschen. Und so ist es dem Land und seinen Bewohnern zu wünschen, dass die politischen, ideologischen und religiösen Spannungen so rasch wie möglich der Vergangenheit angehören mögen.
In Rhodos verließen wir das Boot mit einer großen deutschen Touristengruppe. Und daran mussten wir uns erstmal wieder gewöhnen: nicht mehr die einzigen Touristen weit und breit zu sein. Komisches Gefühl sowieso. Wir hatten die EU wieder betreten. Und das obwohl wir uns weder geografisch noch gedanklich der Heimat näher fühlten als gerade eben noch in der Türkei. Die EU ist schon ziemlich groß und reicht, das spürte man hier, bis weit, weit in den Osten. Und irgendwie bekamen wir auf den Inseln Rhodos, Karpathos und Kreta dann auch ein bisschen das Gefühl dafür, wie stark die Menschen sich hier wohl mit der EU und den Mannen in Brüssel identifizieren mögen – oder sollte man eher sagen: wie schwach. All das ist ziemlich weit weg. Zumindest so lange, bis man einige der zahllosen Bauruinen, leerstehenden Hotelanlagen, verwaisten Restaurants oder verrümpelten Geschäfte sah. Manchmal dachte man sich, dass einige Lokale, Hotels und Anlagen wohl noch in der Hauptsaison ab Mai öffnen werden. Doch beim zweiten oder dritten Blick kamen dann doch oft berechtigte Zweifel auf, ob hier nicht die Finanzkrise viele Existenzen einfach hinweggefegt hat – so wie der kretische Sommerwind Melthemi den staubigen Boden der Insel.
„Alles Verbrecher die da oben!“, meinte der alte Grieche im kretischen Bergdorf Aimonas, wo er seit 40 Jahren eine kleine Tankstelle betreibt. Der Zeigefinger seiner rechten Hand schnitt dabei fiktiv seine Gurgel durch. Vier Jahr hatte er in den 70er Jahren in Bielefeld gearbeitet. „Gutes Geld, D-Mark, war das!“. Und heute? Tja. Ich bezahlte meine drei Wasser und zwei Bier, die Nachos und reichte ihm den 5-Euro-Schein. „Hm, vielleicht wird es irgendwann wieder besser.“, sagte ich. Ob ich es wirklich selbst glaubte? Doch zunächst zurück nach Rhodos.
Es zeigte sich uns in der Altstadt erwartungsgemäß sehr touristisch.
Ein Kreuzfahrtschiff lag zudem gerade im Hafen und der Weg durch die Altstadt glich einem Spießroutenlauf. So wichtig der Massentourismus für die Einheimischen ist, so nervig ist er für uns. Raus hier. Ein Tagesausflug führte uns ins Landesinnere. Wir genossen die Fahrt auf ruhigen, schattigen Straßen, den Frappé im „Trendcafé“ eines Bergdorfes,
Der Rückweg auf der Nordostseite der Insel wartete dann mit Bettenburgen und großen Beton-Anlagen auf. Teils wirkten die Dinger wie Kreuzfahrtschiffe, nur dass sie eben an Land stehen. Das Prinzip „all-inc“ scheint nach wie vor sehr gefragt zu sein. Uns schaudert‘s jedesmal allein beim Gedanken daran so „die schönsten Wochen des Jahres“ verbringen zu – ja – müssen. Müssen wir gottseidank nicht. Was wir jedoch mussten, war am nächsten Morgen um 3:30 Uhr aufstehen, lief doch die Fähre nach Karpathos schon um 5:30 Uhr aus dem Hafen von Rhodos aus. An Deck der Fähre angelangt, schliefen wir noch eine Runde, gemütlich in unsere warmen Schlafsäcke gekuschelt.
Bis bei einem kurzen Zwischenstopp um 7:30 Uhr dann in der Morgensonne die Bilderbuch-Kulisse von Chalkis Hafen an uns vorbeizog. Kurzes, hektisches Treiben beim Be- und Entladen, schon setzten wir unsere Fahrt fort.
Das Ziel hieß Karpathos, eine ziemlich kleine Insel genau zwischen Rhodos und Kreta.
Und wir haben uns gleich ein bisschen in die Insel verliebt.
Schon das Hafenstädtchen und zugleich der Hauptort der Insel, eben Karpathos, empfing uns einladend mit seinen zahlreichen kleinen Cafés und Restaurants. Anfang der Saison rieben sich die Terrassen, Balkone und großen Fenster alle noch die verklebten Augen und auch die Bewohner trauten der Kraft der warmen Frühlingssonne wohl noch nicht so ganz. Das ruhige, noch verschlafene, ja verträumte, gefiel uns richtig gut. Wir nutzten die Zeit bis zur nächsten Fähre nach Kreta zum Herumschlendern und Fotografieren, zum Kaffeetrinken und Pita-Essen, zum Retsinaschlürfen und gegrillte Sardinen Essen.
Wir drehten eine kleine Runde durch den hügeligen Süden, vorbei an den weiß gekalkten noch verrammelten Ferienanlagen. Und wir drehten eine große Inselrunde mit einem kleinen roten Flitzer, geliehen für 20 Euro. So konnten wir ganz ohne Schweiß verlassene Traumbuchten aufsuchen, im Bergdorf Olimpos, angeblich dem schönsten Dorf in der ganzen Ägäis, einen eisgekühlten Frappée trinken und unterwegs viele traumhafte Ausblicke auf‘s tiefblaue Meer genießen.
Die Bergstraße nach Olimpos wurde erst vor Kurzem fertiggestellt. Ziemlich abenteuerlich haben die Erbauer den Bergen die Fahrrinne abgetrotzt, die Natur warnt mit Steinwürfen, ihr nicht noch näher zu kommen. Ziemlich aufmerksam umkurvten wir das Geröll ohne jedoch dabei dem Abhang zur Steilküste zu nahe zu kommen. Ein Glück trafen wir an diesem Tag nur fünf andere Autos auf der Strecke. Ein ziemlich cooler Tag!
Richtig wohl gefühlt haben wir uns auch bei unseren Vermietern in den „Roses Studios“. Allein der Ausblick vom Balkon beim Frühstück oder zum Sundowner wären die 25 Euro für das Zimmer wert gewesen.
So verließen wir das schnuckelige Inselchen drei Tage später fast schon ein bisschen traurig. Doch so oft fahren die Fähren hier zu der Jahreszeit noch nicht und es hieß den nächsten Stopp der Anek-Line-Fähre auszunutzen und mit Rad und Sack und Pack in deren Bauch zu verschwinden.
Ausgespuckt wurden wir in Sitia, am östlichen Ende Kretas. Und bald lest ihr, wie wir die Insel von Ost nach West durchquert haben.