17.08.2011 (m) – Mostar – Bercovici: 72km, 800 Hm
Im Sommer ist es heiß auf dem Balkan, sehr heiß. „Balkan“ heiß wörtlich „Berg“. Nichts, was wir nicht wussten, aber ein Tatsache, die das Vorankommen sagen wir „nicht gerade beschleunigt“. Der Körper ist, vor allem Mittags, doch teils extremen Belastungen ausgesetzt. Und so merken wir, dass der körperlichen Erschöpfung auch ein bisschen eine psychische folgt. Wir wälzen die Karte, linksrum, rechtsrum, doch irgendwie trauen wir uns den weiten Weg durch die Neretva-Schlucht, Foca und das Durmitor-Gebirge für die verbleibenden 9 Tage nicht mehr so recht zu. Nach dem Frühstück sprechen wir noch mit der Vermieterin unseres „Apartmanis“, die während der Kämpfe in Mostar 40 Monate in Deutschland bei Koblenz gelebt hat. Sie spricht hervorragend Deutsch. Als wir sie nach den zu durchfahrenden Regionen befragen, wird sie sehr einsilbig, meint, es sei nicht so schön und vor allem gefährlich. Der Blick auf die Karte verrät, dass wir nun serbisches Territorium befahren würden, und wie schon Ivan in Imotski, so auch hier: Den Serben traut man nicht über den Weg, für die Kroaten und Bosniaken sind dies alles Mörder und Monster. Wer kann ihnen diese Einstellung verdenken?
Wir lassen jedenfalls von der „Nordroute“ ab und suchen uns auf der Karte einen direkteren Weg nach Süden Richtung Montenegro und „Bay of Kotor“. Gut zwanzig viel befahrene Kilometer geht es schnurgerade hinaus aus Mostar, dann biegen wir links ab und plötzlich finden wir auf den Schildern durchweg kyrillische Schrift – ein klares Zeichen: Hier leben mehrheitlich Serben. Einem brutalen Anstieg durch sengende Hitze folgt eine schöne Abfahrt, direkt in die Ortschaft . Die Luft scheint hier zu stehen, es ist so heiß, das muss der Vorhof zur Hölle sein, Wir mühen uns in den Ort, plündern den Kühlschrank eins kleinen Marktes und lassen uns an einem kleinen Bächlein zur Pause nieder. Selbst im Schatten hat es hier fast 40° C! Angstvoll blicke ich in Richtung Berge, denn das GPS sagt einen weiteren langen Anstieg voraus. Vorsichtig frage ich, ob jemand mit zum Meer kommen will, Kopfschütteln allerseits….na, man wird ja noch fragen dürfen. Es ist etwa 15 Uhr, als wir uns dem Fluss entlang nach oben aufmachen. Zunächst verläuft die Steigung talaufwärts überraschend flach, so dass sich meine Motivationslage schnell stark verbessert. Irgendwann passieren wir ein Schild „Welcome to Republic of Srpska“. Ah, eine autonome serbische Republik auf dem Staatsgebiet Bosniens und Herzegowinas – der Balkan ist und bleibt eine politisch höchst komplexe, gefährliche Angelegenheit. Eine überdimensionales Betonmonument in serbischen Farben begrüßt uns endgültig. Wie sind die Serben? Wirklich alle böse? Sehen tun wir lange Zeit keinen, denn das Tal ist so gut wie unbesiedelt. Was folgt ist der wohl krasseste Anstieg der bisherigen Reise. Eine 10%-Rampe türmt sich in der prallen Sonne vor uns auf. Der Teer ist nagelneu, also extra schwarz. Das ist er , der „Highway to hell“. Ganz, ganz langsam treten wir die Pedale, wir wollen nicht, dass unserer Köpfe hier im serbischen Niemandsland explodieren. Pedalumdrehung für Pedalundrehung zwingen wir dann aber auch diese Rampe in die Knie uns stehen am Pass. Wolken verdecken die Sonne für einen Moment, fast schon angenehm hier. Mindestens 50 Kilometer erwarten uns noch bis zum angestrebten Ort „Belicea“. Und ob es ab hier wirklich nur bergab geht? Das weiß im Fall nicht mal mein GPS, denn die Straße, auf der wir fahren, die ist nicht verzeichnet. Nur kurz verlieren wir Höhenmeter, dann geht es schon wieder flach dahin, Auffallend freundlich sind die Leute, lachen und winken uns zu. Wir erreichen Bercovici. Ein langgezogenes Straßendorf. In einem kleinen Markt fassen wir Wasser, 2 Stunden vor Sonnenuntergang, 40 Kilometer vor dem Ziel. Wir sind erschöpft. Katrin tritt aus dem Laden, es gebe wohk ein Zimmer am Ort, habe die Verkäuferin jedenfalls gerade aufgezeichnet. glücklicherweise steht der Ortspolizist direkt an der Straße, drillert sein „Halt“-Schild in den Händen umher, Verkehrskontrolle scheint anstrengend zu sein hier ;-)
Ne, ein Zimmer gibt es nicht. Wir fragen nach Campingmöglichkeiten. „Camping? No problem!“. Mit einer auslandenden Geste wendet er sich der Weite des Tales zu. So hatten wir das nicht gemeint, wir wollten eher den Hinweis darauf, dass es nicht gefährlich sei. Kurz später tritt die Dame aus dem Markt vor die Tür, ruft dem Polizisten etwas zu, schon zückt der sein Handy und ruft bei der Herberge an. „Cyklista, blablabla.“ So, wird sind angemeldet. Straße wieder runter, bei der „Pumpa“ (Tankstelle) rechts.
Hier erwarten uns schon die strahlenden Augen eines Jungen, der uns sofort das Zimmer zeigt. Ein 4-er Dorm mit eigenem Bad. Perfekt! Der Junge freut sich so, dass er solch seltene Gäste bewirten darf. Stolz ist er auch, sein gutes Englisch anzuwenden. Er telefoniert kurz mit dem Herrn Papa, der ihn auffordert, gleich zu kassieren. So drücken wir schnell unsere 10 KM (5 €) pro Nase ab und finden uns in den weichen Sesseln unter der Laube wieder, wo uns, die inzwischen dazugekommene Schwester, kühle Biere serviert. Sie spricht hervorragend Englisch, war schon für 2 Wochen in England und studiert Zahnmedizin in Belgrad. Wir fühlen uns sauwohl. Nachdem wir geduscht sind und wieder einigermaßen zivilisiert sind, kochen wir hinter dem Haus bei einem Bänkchen Thunfisch-Nudeln, ehe wir zum „Absacker-Bier“ nochmal nach vorne zur Sitzgruppe wechseln. Ein paar Freunde haben sich auch hier zum abendlichen Bier getroffen, eine Mischung aus Alkoholfahne, Zigaretten und Männerschweiß iegt in der Luft. Einige Biere später steigen alle vier in je ein Auto und brausen durch die dunkle Nacht davon. Wünschen wir ihnen, dass ihre Konterfeis nicht auch eines Tages auf einer der zahlreichen Gedenktafeln am Straßenrand auftauchen. Alkohol, überhöhte Geschwindigkeit und alte Karren sind nhier stark miteinander verzahnt. Anschnallen? Was für Weicheier…Hoffen wir, dass die Zukunft auch hier in den Köpfen noch Positives bewirken wird.