16.11.2009 (k) – Than Uyen – Mu Cang Chai: 38km, 800Hm
Jetzt aber mal unters Volk gemischt! Nachdem wir uns gestern Abend gar nicht mehr aus dem Hotel begeben hatten, sondern faul mit Fertignudeln auf dem Bett den Klaengen des nahen Karaokes gelauscht hatten, wollen wir uns auf den Weg nach einer Fruehstueckssuppe machen. Achja, die Vietnamesen scheinen noch enthusiastischer in Mikrofone zu groelen als die Chinesen. Neben dem Karaoke, durch das bereits der gesamte Ort gut unterhalten gewesen waere, wummerte noch die Diskoversion eines Hits, der bei uns seit 3 Jahren aus den Top Ten verschwunden ist (und gottseidank mittlerweile auch wieder aus unserem Gedaechtnis) mit Basslevel 10. Nur unterbrochen von irgendwelchen langen Ansprachen. Welchen Anlass es gab, oder ob das fuer diese kleine Bergstadt der alltaegliche Wahnsinn ist, haben wir nicht eruiert.
Die “Pho (Bo)” (sprich foe (bo) = Suppe mit Reisnudeln (und duennen Rindfleischstreifen)), die wir in einem kleinen, auf Morgensuppe spezialisierten Etablissement bestellen, koennte ueber die ersten Kilometer hinweg helfen, auch wenn es hier leider keine 60km-Nudeln gibt. Als wir in den kleinen Laden treten, wird uns zuerst ein schoenes Stueck Rindfleisch gezeigt. Molle moechte aber gerne eine vegetarische Suppe und so zeigen wir auf das Rindfleisch und schuetteln die Koepfe “no, no” – na gut, man bietet uns das bereits gekochte, unter blasser, fetter Haut versteckte Huehnchen an -”no, no” … hm was moechten diese Auslaender nur in ihre Suppe? Aus der Fleischtuete zeigt sich ein etwa handgrosses, glibberiges Stueck – sieht aus wie ein Herz – ”oh, no, no, no!” Allgemeinem Gelaechter folgt ein etwas ratloser Blick. Noch mehr Fleischalternativen gibt es hier nicht! Schnell zeigen wir auf das magere Stueck Rindfleisch vom Anfang. Bevor sie uns ein Herz in die Suppe werfen, beenden wir lieber den Versuch, “vegetarisch” zu erklaeren. Es ist aus hiesiger Sicht wohl auch ein absurder Gedankengang, den wir hier haben – denn ohne Fleisch blieben nur nackige Nudeln in einer wenig schmackhaften Bruehe. Wer isst denn auch kein Fleisch? Auf jedem Tisch steht immerhin noch das “Mach-der-Suppe-Beine –Arrangement”: Fischsauce, ein paar Limetten, rohe Sojabohnenkeime, Minzblaetter und getrocknete Chilis.
Die Regenfront, die fuer diese Tage angekuendigt ist, zeigt sich heute milde. Es ist trocken, Sonne und Wolken wechseln sich ab, aber es ist sehr drueckend, beinahe schwuel. Vielleicht liegt es auch an der gering erscheinenden Etappe von knapp 40km, dass wir nur schwer in die Gaenge kommen und uns alles sehr anstrengend vorkommt. Das ist so aehnlich wie frueher beim Bedienen: waren nur wenige Tische besetzt, hat man garantiert etwas vergessen, falsch boniert, sich verrechnet oder Gaeste uebersehen; wenn dagegen “full house” war, war man gefordert, ein Wunder, was man wie schnell schaffte und sich merken konnte.
Die Strasse meandert sich heute wunderschoen einen kleinen Fluss entlang. Insgesamt muessen wir am Abend 500m hoeher sein, doch das Profil ist aeusserst huegelig, so dass wir insgesamt wesentlich mehr bergauf fahren. Das Flusstal ist nicht so stark besiedelt wie die Flaeche um Than Uyen, doch es finden sich immer mal wieder Pfahlhuetten und kleine Ortschaften – bewohnt von verschiedenen ethnischen Gruppen. Ab und an schlappen ein paar Frauen mit voll beladenen Bambuskoerben an uns vorbei oder wir ueberholen Kinder, die einen Reifen vor sich hertreiben. Durch jedes Dorf rasen schwarze Ferkel und piepsende Kueken. Kleinkinder, fest verschnuert auf dem Ruecken, schauen ihrer Mama beim Sticken der bunten Muster fuer die Trachten zu, junge Maedchen sitzen an der warmen Hauswand vor der altertuemlichen Butterfly und zaubern aus den Bahnen indigofarbenen Stoffs kunstvolle Kleidungsstuecke. Eine zeitlang fahren wir im Takt zu vietnamesischen Schnulzen: ein Mofa-Kraemerladen hat die Anlage voll aufgedreht, bergauf ist er kaum schneller als wir, bergab langsamer. Haarspangen, Duschgel, Nagelklipser, Socken und vieles mehr baumelt von der kleinen Glasvitrine auf dem Gepaecktraeger.
Gegen 15 Uhr erreichen wir den Weiler Mu Cang Chai auf knapp 1000m. Lang war die Strecke heute nicht, aber knackig – umso weniger sind wir es noch. Uns bleibt die Wahl zwischen Hotel in Blockbauweise und Guesthouse in Pfahlbauweise – doch auch nach laengerem Warten erscheint niemand, der fuer das Guesthouse zustaendig ist, und so checken wir im 2. Stock des Hotels ein und geniessen die letzten Sonnenstrahlen auf dem Balkon, bevor einige Wolken die Waerme stehlen. Als wir gerade so dasitzen und eine Vorabend-Nudelsuppe einnehmen, fahren zwei grosse, schwarze Koffer den Gang entlang zum Zimmer neben uns. Wir fragen uns, wer hier wohl eincheckt und begruessen sodann Anita und Erwin aus der Schweiz, die den Koffertraegern folgen. Wir kommen ins Gespraech und erfahren, dass die beiden mit einem Fahrer und einem Fuehrer seit gut 2 Wochen in Vietnams Norden unterwegs sind. Sie haben schon diverse Strassen abgefahren und sehr viel gesehen. Vorsichtig laden wir uns selbst ein, sie zum Essen zu begleiten – mit so einem ortskundigen Fuehrer hoffen wir auf ein Restaurant und die Chance, etwas anderes als Suppe zwischen die Zaehne zu bekommen. Zu viert sitzen wir kurz spaeter vor Fruehlingsrollen und gebratenen Nudeln – na, das ist ja mal ein kulinarischer Anfang. Die nette Unterhaltung setzen wir anschliessend noch bei einigen Fingerhueten vietnamesischen Gruentees in der Hotellobby fort.