26./27.10-2009 (k) – Pausetage „Lieg lang“ heißt die Devise: Pausetag. Die Sonne lacht sich auch heute wieder einen vom Himmel, aber das kann auf uns keinen Druck ausüben – wir bleiben hier. Mit den Rädern starten wir eine kleine Vormittagsrunde durch die Stadt. An einer Brücke, dampft es auffällig! Wir verlangsamen das Tempo und genießen kurz später ein frisch gebackenes Flachbrot (kommt einem Nan sehr ähnlich) mit roter scharfer Bohnenpaste vor der Kulisse des 15km entfernt stehenden Yulong Xueshan (Jadedrachen Schneeberg), der mit seiner Höhe von 5596m vor dem stahlblauen Himmel thront. Auch im modernen Teil Lijangs stehen viele Hotels – die Masse an Touristen muss ja auch irgendwie bewältigt werden. Die Stadt ist großzügig angelegt und bietet im Kern die üblichen Einkaufsmeilen mit Outdoorshops, Herren-, Damen- und Jugendausstattern, Supermärkten, Schuhgeschäften, Apotheken, Handyläden, Elektromärkten und Gesundheitsshops. Wir umkreisen den Löwenberg, der im Herzen der Stadt sitzt (und Neu- und Altstadt räumlich trennt) und biegen danach in die engen, quirligen Gassen der Altstadt ein, die hier noch nicht für die Touristen restauriert ist und somit ein authentisches chinesisches Bild abgibt. Bei einem schweren Erdbeben 1996 wurden große Teile der Altstadt Lijangs zerstört und danach im alten Stile meist ansehnlich wieder aufgebaut. Unversehens finden wir uns im Getümmel des Marktes wieder, wo die Räder wegen der Enge etwas stören und man am liebsten stehen bleiben und stundenlang beobachten möchte. Doch man wird weitergeschoben von den mit Körben beladenen Naxi-Frauen, den dreirädrigen mit Gemüse befüllten Fahrrädern oder Minibussen, die sich auch noch hindurchzuquetschen versuchen. In solchen Situationen wünsche ich mir eine Kopfkamera: einfach in eine Richtung blicken und auf Knopfdruck wird ein Foto des soeben Wahrgenommenen gemacht. Stattdessen: Fahrrad halten, Kamera zücken, anvisieren …entweder ist die Situation sowieso vorbei, oder aber es ist so auffällig, dass man wieder fragen müsste, ob man ein Foto machen darf, und dann erhält man sowieso keine natürlichen Bilder und Gesichtsausdrücke, sondern gestellte Fotos mit grinsenden Leuten, die ein Stück Gemüse hochhalten oder einen ablehnenden Bescheid. Wir lassen also das Fotografieren und nehmen die Eindrücke so in uns auf. Vorbei an einigen alten Holzhäusern und vielen neuen, im alten Stil erbauten (zweigeschossig, mit Innenhof) Wohnhäusern lenken uns die Gassen wieder ins touristische Zentrum der Altstadt, das heute Mittag aber noch lange nicht so sehr von chinesischen Reisegruppen vollgestopft ist wie gestern Abend. Die touristische Altstadt besteht eigentlich nur aus Restaurants und Cafés, Gästehäusern, Touranbietern und Souvenir- bzw. Kunsthandwerkläden. Vor allem gewebte Stoffe und Trachten/Kleidung der verschiedenen ethnischen Gruppen, Silber- und Edelsteinschmuck, Lederwaren und Bilder werden feilgeboten; darunter wahrscheinlich ebenso Hochwertiges wie auch Ramsch. Ein Highlight scheint hier auch der „Wild Walnut Cookie“ zu sein. Die Orientierung an westlichen Touristen (zu sehen an den vielen „Coffee and Western Breakfast“ bzw. Sandwich- oder Pizza-Angeboten) bringt dann auch so lustige Dinge wie den Lijang-Burger hervor, der aber unter den chinesischen Besuchern der Renner zu sein scheint. Viele Blumen und Weiden, rote Lampions und die in manchen Gassen noch gut erhaltenen tollen Holzhäuser schaffen zusammen mit den zahlreichen Wasserläufen und Steinbrücken eine gemütliche Atmosphäre. Faszinierend ist die Menge der öffentlichen Toiletten, die mit modernster Technik und tollem Design aufwarten. Zum Mittagessen verschlägt es uns wieder aus der Altstadt heraus in ein quirliges, chinesisches Restaurant, wo wir „Schweinefleisch süß/sauer“, „kurzgebratenen chinesischen Spinat“ und mal wieder ein sehr leckeres „Ma po Dofu“ mit dampfendem Reis genießen. Übliche „Büroarbeit“ wie Bilder sichern und Internetrecherche folgt dem üppigen Mahl. Gegegen Spätnachmittag rechen wir auf, um im Park am Teich des Schwarzen Drachen das typische Postkartenmotiv Lijangs abzulichten (der in einem großen, blassgrünen Teich stehende, elegante Deyje-Pavillon mit seiner Brücke vor dem Yulong Xueshan), doch der Eintrittspreis hält uns von diesem Schnappschuss ab. Zugegeben, heute wäre der perfekte Tag dafür, am Himmel tanzt nicht eine Wolke – doch 8 Euro pro Nase ist es einfach nicht wert. Auf uns wirken die Eintrittspreise in China abschreckend. Zumal es sich bei den Sehenswürdigkeiten in unseren Augen häufig um ziemlich an den Haaren herbeigezogene Attraktionen handelt. Sollen (sich) die Horden von Reisegruppen ein Bild machen, die den Park bereits wieder entern. Wir sehen uns das Ganze im Internet an. J Vor dem Abendessen schlendern wir nochmals durch die Altstadtgassen. Im Obergeschoss eines Lokals bestellen wir das für die Gegend typische „baba“ (ein beinahe bis zur Unkenntlichkeit in Öl frittiertes, mehr oder weniger würziges Mehlgebäck von der Größe und Dicke einer kleinen alten Elektroherdplatte), „scharf gewürztes Huhn“ (wobei sich an den zerhackten Hühnerstücken wirklich nichts Fleischiges findet und der Rest aus Chilis, Ingwer und Knoblauch besteht) und „lang gekochtes Rindfleisch mit Kartoffeln“ (das etwas an ein Gulasch erinnert). Das Essen ist nicht schlecht und preislich nur leicht über Niveau, doch morgen werden wir wohl eher wieder eines der vielen, vollgestopften, brodelnden Restaurants außerhalb des Touristenbereichs aufsuchen. Morgen? Achja, das heißt, dass wir noch einen Tag hierbleiben. Dieser Tag ist schneller erzählt: Frühstück mit 3 frischgebackenen Flachbroten (diesmal ohne Bohnenpaste, stattdessen habe ich gestern eine Marmelade besorgt und in einem Supermarkt einen „Eagle“ von Nestlé erstanden (Schokogeschmack-Kondensmilch aus der Tube, kann man als Aufstrich nutzen) im Hof des Hotels, lesen, faulenzen, schlendern (noch einmal über den Markt und die ursprünglichen Gassen), Mittagessen (Nudeln, Brokkoli und Baozi), Erhohlung, … Gegen Abend steigen wir den Löwenberg hinauf. Ich bezahle den diesmal erschwinglichen Eintritt (15 Yuan) zum „Wangu Lou“, einem 22m hohen Pavillon aus Holz, und kann dort einen tollen Blick über die gesamte Stadt genießen und die berühmten Ziegeldächer der Altstadt von oben betrachten. Molle investiert „seine“ 15 Yuan hingegen in ein Bierchen auf einer Terrasse auf halber Höhe und hat von dort auch einen schönen Blick auf die Dächer. Das einzig noch Erwähnenswerte für diesen Tag ist das Abendessen. Wir setzen uns an den letzten freien Tisch eines vollen Restaurants und bestellen von unserer Karte (haben im Internet eine Auflistung ganz vieler chinesischer Gerichte gefunden, die wir ausgedruckt haben und nun immer mit in die Gaststätten nehmen) zwei uns bisher unbekannte Gerichte, die zu unserer Freude auch angefertigt werden können: die dünnen Schweinefleischstreifen mit Zwiebeln nach Peking-Art kommen in einer äußerst delikaten Hoisin-Soße daher, die Bambusschösslinge mit Schweinefleisch munden auch vorzüglich. Fein geraffelte, kurzgebratene Zucchini für die Vitaminbilanz – ein runder Abschluss der zwei Pausetage. Morgen wird aber wieder geradelt und dann erzählen wir nicht mehr so viel vom Essen. Versprochen!
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