07.08.2011 (m) – Plitvicka Jezera – Sv. Juraj: 110km, 1915 Hm
Kurz nach dem Frühstück wird umgeplant. Die gleiche Strecke, die wir vorgestern kamen, nein, das wollen wir nicht. Also fahren wir auf der Straße Nr.1 ziemlich direkt Richtung Meer…Oder doch nicht? Bereits am Supermarkt hat sich der Plan erneut gedreht, vielleicht liegt es auch daran, dass uns auf den 1,4km dorthin bereits zig Autos überholt haben und wir uns so gar nicht daran gewöhnen wollen. Wie dem auch sei, ein Aufatmen ist in der Truppe zu vernehmen, als wir die Hauptstraße nach rechts verlassen und gleich steil bergan strampeln. Es ist trotzdem so viel schöner. Bewusst nehmen wir noch einmal Natur, Menschen und Häuser wahr, die wir vor zwei Tagen schonmal passierten. Viel verändert hat sich nicht ;-)
Die 25 Kilometer vergehen ziemlich schnell, auch, weil es nach der Passhöhe viel bergab geht. Eine kleine Straße zweigt nach Dabar ab. In unserer Karte ist sie weiß, wir rechnen mit allem, doch sie ist gut, erst geteert, später in ordentlichem Schotter. Doch nicht nur das, sie ist zudem fast verkehrsfrei und führt durch ein schönes, bewaldetes Gebiet. Just an der Stelle, an der sich Asphalt und Schotter die Hand reichen, tauchen zwei große, rote Schilder mit Totenkopf-Zeichen auf. “ “ – nicht betreten, Lebensgefahr durch Minen. Ebenso betreten sind unsere Mienen. Mehr als 15 Jahre ist der Krieg vorbei, an machen Stellen hier sieht es aber aus, als sei der letzte Panzer erst gestern abgerückt. Einschusslöcher weist fast jedes Haus am Wegesrand auf, Häusergerippe werden von der Natur umrankt und früher oder später an sie zurückfallen, Friedhöfe und Gedenktafeln sieht man fast in jedem Dorf. Es ist bedrückend. Einzig die vielen Rohbauten lassen die Hoffnung zu, dass die Menschen hier an eine Zukunft glauben.
Wir kraxeln weiter bergan, versuchen immer schön in der Mitte des Weges zu bleiben und rasten sogar auch mitten auf dem Weg. Wir haben gelesen, dass die Minen oft sehr dicht am Straßenrand gelegt wurden, was sich wenige Kilometer später eindrucksvoll bestätigt. Oberhalb eines kleinen Dorfes sind die Minenräumkommandos gerade voll im Einsatz. Riesige Parzellen sind mit roten Absperrbändern untereilt, alles ist gerodet und immer wieder sieht man Stellen, die von vier Holzpflöcken umrahmt sind, die ihrerseits mit einem weißen „Minen-Warn-Band“ verbunden sind. Ganz offensichtlich Fundstellen von Minen. Und, erschreckenderweise mancherorts nicht einmal eine Fußlänge vom Straßenrand entfernt. Wir konzentrieren uns auf den Mittelstreifen. Unsere Durchradel-Sorgen gegen die Sorgen der Menschen, die hier leben. Wir können weiter, viele müssen bleiben…
Ausgerechnet in dieser trostlosen, traurigen Gegend verabschiedet sich eine Speiche von Steffis Hinterrad mit einem lauten „Pling“. Mit dem mitgeführten Speichenschlüssel verschlimmbessern wir das Hinterrad, also bleibt nichts weiter übrig, als Steffis Gepäck auf die restlichen Gepäckträger zu verteilen und die Bremsbacken etwas zu „weiten“. So schleift wenigstens nichts, wenn das Rad seinen Eierparcours durchläuft.
Wechselnde Straßenverhältnisse, Auf- und Ab, viele Minenwarnschilder, große Hitze und zuletzt, Heißluft-Gegenwind geleiten uns nach Otocac, wo wir gegen 16 Uhr einen kleinen Supermarkt und eine Bäckerei stürmen und uns mit kühlem Wasser und Käsetäschchen für die Weiterfahrt rüsten. Kurz zögern wir, ob uns die vier Stunden Tageslicht für 40km und zwei kleine Pässe noch reichen, doch dann sitzen wir schon wieder im Sattel und kurbeln bergan. Wir sind motiviert, wir wollen heute noch ans Meer. Doch davor hat der „Landschaftsbauer“ noch einige Bergrücken gesetzt. Die Straße ist aber wenig befahren und in tadellosem Zustand. Immer wieder werden kollektive Trinkpausen angeordnet, nach so vielen Litern mag man nicht mehr so recht schlucken, gemeinsam geht es leichter. So bleiben wir von Schwindelanfällen und Krämpfen verschont.
Mit den letzten Sonnenstrahlen, die Sonne hat sich schon in einen tiefroten Ball verwandelt, erklimmen wir den höchsten Punkt und sehen: DAS MEER. Nach fast 2000 Höhenmetern und 100 Kilometern, nach den anstrengenden Eindrücken und Auffahrten ein wahnsinnig schönes Gefühl. Es folgen noch 10 Kilometer Abfahrt auf einer Traumstraße, die sich in vielen, vielen Kehren bis auf Meereshöhe windet. Mit Einbruch der Dunkelheit stehen wir an der viel befahrenen Hauptstraße. Von weiter oben haben wir schon einen Campingplatz entdeckt, den wir direkt ansteuern. Es sind nur noch zwei Kilometer und schon scheinen wir im Paradies gelandet. Direkt am Meer – mit Restaurant. Wir finden noch ein akzeptables Plätzchen und dann laben wir uns an kühlem Bier und Pizza bzw. Fleischspießchen. Ein in allen Belangen eindrücklicher, unvergesslicher Tag.