16.03.2010 (m) – Chayang – Hukeng: 50km, 750Hm
Um es vorweg zu sagen: Man kann noch so lange radeln, irgendwie schleichen sich nach all der Zeit trotzdem immer wieder die gleichen Denkfehler ein. Wir schlafen gut und haben auch dem Wecker ein wenig länger Zeit gegeben, Alarm zu schlagen, stehen doch heute nur gut 40 Kilometer an. Als wir das Fenster zum Lüften vorschieben, strömt zugleich unangenehm kühle Luft ins Innere. Waren das nicht gestern noch schier unglaubliche 29 Grad? Der Nebel hängt verdächtig tief, doch immerhin sind die Straßen trocken – es regnet nicht. Wir hüllen uns also in die etwas wärmeren Klamotten (ja, wir haben sie noch, seit Hongkong ja sogar neue Regenjacken). Die kleine Stadt stellt einige Nudelküchen bereit, von denen wir eine gut gefüllte auswählen und für 20 Cent pro Schüssel eine der billigsten aber auch geschmacklosesten seit langer Zeit bekommen. Kürzlich haben wir es sogar gelesen, der Süden kocht „mild“. Aha, so kann man es auch sagen. Nach den Gaumenfreuden aus Sichuan und Yunnan fehlt ein bisschen, sagen wir mal: die Würze. Gestern Abend fiel uns dann beim Kassensturz plötzlich auf, dass sich unsere Barvorräte gefährlich dem Ende entgegen neigen und wir hier in der Provinz wohl nicht so die ganz große Auswahl an Geldautomaten bekommen werden. Und wie sollte es sein, auf dem Land ist die „Agricultural Bank of China“ vertreten, die Bauernbank, wie wir sie nach zahlreichen erfolglosen Versuchen an Geld zu kommen, nennen. Trotzdem starten wir in der Verzweiflung einen erneuten Versuch: Bauernbank eben. Na, dann müssen wir halt die nächsten Tage den Spargang einlegen.
Kaum haben wir das Dorf verlassen, steigt die Straße auch schon an – und tut dies auch größtenteils für den Rest des Tages. Aufgrund des Nebels und des ab und an einsetzenden Nieselregens sehen wir von der Landschaft nicht viel. Da wir aber meist in einem Tal entlang des Flusses bergan fahren, verpassen wir auch keine atemberaubenden Fernblicke. Da hier mal wieder eine Trasse – vermutlich für einen neuen Superhighway – geschlagen wird, nerven uns unzählige LKW, die an uns vorbeibrausen. Wetter nix, Verkehr nix, Profil auch nix. Eine Kombination, die früher oder später aufs Gemüt schlagen muss. Zumal dann, wenn man noch im Hinterkopf hat, dass es ja nur 40 Kilometer sind und man mit einer frühen Ankunft rechnet und noch auf die Besichtigung der Rundhausdörfer am Nachmittag spekuliert…ach, „denk‘ nicht so viel, fahr‘ zua!“ Kleidungstechnisch spielen wir quasi das „lustige“ Geburtstagsspiel, bei dem man Handschuhe, Mütze und Schal anziehen muss, um dann mit Messer und Gabel die Schokolade aus der Alufolie zu schneiden, bis einer eine Sechs würfelt…hier kommen die Sechsen in Form von Steigungen, Abfahrten, Wind und Regen. Und zwar genau in den Abständen, dass man garantiert nur wenige Kilometer in der gleichen Kluft fahren darf. Schokolade ist auch aus. Jeder noch so kleine Ort wird übrigens unterwegs von uns genauestens auf Bankomaten untersucht – Bauern, überall Bauern!
So ist es dann auch schon 15 Uhr, als wir in Hukeng einlaufen und ein großes, schön aussehendes Hotel, das sicher eine warme Dusche zu bieten hat, ansteuern. Alle sind auch furchtbar nett, wollen dann aber 230 Yuan, was eigentlich nicht gerade günstig, aber bezahlbar ist, für unsere bauernbankgeplagten Geldbeutel jedoch, momentan zu viel. Ob wir in Dollar zahlen können? Ja, das ginge schon, aber der Kurs und blabla. Während wir so reden, fließt von der Rezeptionistin immer wieder ein „we are the best hotel in town, other not good“, „no, stay here, don’t go to the bank, they can’t change money“. Und so steigt unsere Lust, doch noch ein paar hundert Meter durch den Ort zu fahren. Obwohl uns ziemlich kalt ist, kehren wir dem Hotel also den Rücken und erreichen nach nur 200 Metern (direkt nach einer Kurve) das nächste Hotel – sieht auch ganz modern aus, was es dann auch ist. 100 Yuan kostet der Spaß inklusive sehr, sehr heißer Dusche und Internet. Das hat sich doch mal gelohnt. Das Wetter ist immer noch nicht besser und so verschieben wir die Besichtigung des fünf Kilometer entfernten Rundhaus-Dorfes auf Morgen. Stattdessen spazieren wir durch die Gassen von Hukeng und finden in der Altstadt einige ganz tolle, alte Gebäude vor, die zwar ganz und gar nicht touristisch aufbereitet sind, dafür aber randvoll mit dem richtigen Leben. Rund sind die Bauten zwar auch nicht, vielmehr eckig, dafür aber im Prinzip gleich aufgebaut (mehr dazu morgen). Die Bewohner staunen nicht schlecht, wie wir so in die Innenhöfe schlendern, sie sind aber freundlich und schwatzen ein bisschen auf uns ein. Es gefällt uns sehr, solche Häuser besuchen zu können, die nicht „hergerichtet“ sind, sondern einfach so, wie sie die Menschen in ihrem Alltag beleben.
Zurück im Hotel, können wir dann trotz des derzeitig schmalen Budgets nicht auf das Essen aus der Hotelküche verzichten (obwohl die Tütensuppen und das Wasser schon gekauft sind). Wir rechnen, fragen vorher(!) nach den Preisen und bestellen dann nach Geldbeutel. Wir können doch keine chinesische Mahlzeit sausen lassen, soweit käme es noch!