Posen vor Positano

Dem wilden Neapel soll für uns die touristische Sorrentinische Halbinsel mit seiner sagenumwobenen Costa Amalfitani folgen. Aus Pompei heraus wurschteln wir uns über kleine Straßen bis ans Meer hinunter nach Castellammare di Stabia. Ein ziemlich grauer Ort auf den ersten Blick, wo wir am Hauptkreisel im Zentrum die wohl erstaunlichsten Getränke erhalten, die man in Italien bekommen kann, wenn man zwei Capuccini bestellt! Schmecken trotz des opulenten Aussehens aber doch mehr nach Kaffee als man sich beim Anblick dieser „Kelche“ vorstellt.

Entlang der hübschen Strandpromenade werfen wir noch einen Abschiedsblick auf den Vesuv (wobei wir später feststellen werden, dass uns der Blick auf den Berg erhalten bleibt) und werden auf die vielbefahrene SS145 gelenkt, die Touristen aus aller Welt in das kleine Städtchen Sorrent am westlichen Nordufer der Halbinsel schleust.

Die Straße ist aber glücklicherweise bestens ausgebaut, so dass wir keine Schlaglöcher fürchten müssen und auch immer wieder mal einen Seitenstreifen vorfinden. Kurz vor dem Ziel kommt uns wieder mal der schier unglaubliche Ansturm an Touristen zugute – im Stau stehende Autos sind halt wenig gefährlich.

Wir brausen dran vorbei und sausen hinunter nach Piano die Sorrento und weiter nach Sorrent, direkt auf den perfekt gelegenen Camping Nube d’Argento.

Noch herrscht hier vorösterliche Ruhe und wir genießen die Alleinlage unseres Zeltes und einen leeren Pool ohne Trubel. Am Donnerstag, so der Cheffe, müssten wir aber weg sein, dann wäre der Platz schlagartig ausgebucht – randvoll!
Die Zeit bis dahin nutzen wir mit Sightseeing. Das Städtchen Sorrent ist mega touristisch, mit all den Annehmlichkeiten, die sich der Reisende vor allem aus Übersee und Großbritannien so wünscht. Wir haben fast nur Kaugummi-Englisch im Ohr hier und schlendern an vielen Pubs vorbei. Scheint so zu sein, als seien diese beiden Nationen hier über die Maße stark vertreten. Sorrent ist bekannt für seine Zitronen und damit den allgegenwärtigen Limoncello und für bunte Kleider, die die Sonne und die Farbenprächtigkeit der Region widerspiegeln. Die Halbinsel, so verrät uns ein Barista, sei bei vielen à la „Europe in 7 days“-Touren mit dabei.

Mit dem Rad kommen wir aber auch in etwas entlegenere Ecken, so auch zu unserem Abendessen-Restaurant einen Kilometer über unserem Camping. Das Verdemare verwöhnt uns mit leckeren Pizzen, hervorragender Pasta und Scaloppine à la Limone. Zudem ist das Personal ebenso freundlich wie gesprächig, so dass wir die beiden „saukalten“ Abende im Restaurant zubringen und uns anschließend schnell in die warmen Daunenschlafsäcke verziehen.

Ja, es ist schon außergewöhnlich kalt in diesen letzten Märztagen 2023. Wir müssen sogar einen richtigen Regentag aussitzen. Auf einem Campingplatz, der voll auf Sommer ausgelegt ist, gar nicht mal so einfach. Doch ein Spaziergang hinunter nach Marina Grande und vor allem wieder hinauf zum Camping wärmt auf.

Eine kleine Radtour ohne Gepäck führt uns tags zuvor in den Westen der Halbinsel.

Die herrlich zu fahrende Strecke eröffnet immer wieder Blicke auf Capri, das jetzt in der Vorsaison noch ganz unschuldig dazuliegen scheint und nur von einer Handvoll Booten angesteuert wird.

Weil es eh so kalt ist, strampeln wir noch auf den Monte Santa Croce hinauf und erhaschen schon mal einen Vorausblick auf die Strecke entlang der Amalfiküste. In gigantische Steilhänge wurde ein Teerband gelegt – wir sind gespannt, wie sich das radeln lässt. Eng soll es da sein und ziemlich befahren. In einer Trattoria wärmen wir uns auf und füllen unsere Mägen mit Pasta.

Der Abend ist trocken und so genießen wir ein Bierchen auf der Terrasse des Campings mit einem Million-Dollar-Vesuvblick. Was wäre das noch toller an einem warmen Sommerabend – oder vielleicht nicht toller sondern nur voller?!

Und dann geht es los, die Sonne ist zurück und wir sind motiviert. Über steile Rampen treten wir uns hoch zur SS145, die nun auf der Südseite der Halbinsel verläuft und hier über Positano, Amalfi, Maiori und Cetara bis nach Salerno führt.

Als wir die Straße vor Colli die San Pietro erreichen, sind wir erst mal ernüchtert. LKWs rollen vorbei, schnelle Autos auch. Wir schlüpfen in unsere gelb und rosa leuchtenden Jacken und bringen die Blinklichter an, Spiegel justieren und los. Glücklicherweise nutzt der Lieferverkehr – die kleinen und größeren LKWs, die lokalen Handwerkerautos und jeder, der hier unbedingt ganz wichtig mit dem Auto was erledigen muss – die Abzweigung kurz später hinunter nach Piano die Sorrento und bei der Einfahrt in die ersten höchst spekatakulären Serpentinen flaut dieser Verkehr somit ab und wird durch Touristen-Verkehr ersetzt.

Da Touristen auch immer wieder stehen und staunen wollen, nehmen wir die Autos als weniger bedrohlich wahr. Oftmals steht die Blechlawine auch, vor allem dann, wenn die zahlreichen Verkehrswächter in den Orten wieder per Funk den nächsten Reisebus ankündigen und die Kollegen an den Engstellen dafür sorgen, dass diese frei bleiben, indem sie den übrigen Verkehr stoppen. So ergeben sich für uns immer wieder autofreie Lücken, in denen wir ungestört diese Traumstraße genießen können. Fürwahr bieten sich hier hinter jeder Kurve neue und spektakuläre Blicke. Die Häuser sind hier teils in die Wände gemeiselt, als hätte jemand eine Handvoll Legohäuser in die Landschaft geworfen.

Die Orte sind den Steilwänden teils so abgetrotzt, dass einem Angst und Bange werden könnte. Wüsste man nicht, dass diese Häuser da schon sehr lange stehen, man sorgte sich, dass sie demnächst vom Abgrund verschlungen werden.
Was natürlich vor allem auf dieser Strecke nicht fehlen darf: die Selbstinszenierung der Generation #Insta. Gefühlt an jeder Ecke hält jemand seine Visage in ein Handy, cat-walkt an Geländern und Mauern entlang post vor Positano und versucht seine Followerzahlen von Minori nach Maiori zu bringen. Es ist DAS Phänomen unserer Zeit, ein zunehmend nerviges.

Instaszenierung!

So empfinden wir diesen Zirkus an den Touristenhotspots jedenfalls und freuen uns, dass wir schnell wieder in die Pedale treten können, um auch andere, vielleicht nicht so hübsche, aber immer auch interessante Orte kennenzulernen.
Hinter Amalfi ist das „Spektakulärste“ geschafft und wir kurbeln über noch viele Hügel mit netten Buchten weiter Richtung Salerno.

Die Sonne steht schon recht tief und der Wind frischt merklich auf. Es wird ungemütlich. Noch viel mehr, als wir uns die riesige Einfallstraße hinunter zum Hafen mit tonnenschweren Monstern teilen. Jetzt nicht noch zwischen zwei dieser Riesen zermalmt werden ;) Schon in der Antike war der Hafen Salernos bedeutsam für den Handel und der weltweite Containerumschlag ist weiterhin bedeutsam.

Wir schlängeln uns hinunter und düsen an der Strandpromenade entlang ins Zentrum. Der Campingplatz ist 15 Kilometer außerhalb und wir haben uns tapfer vorgenommen, zu campen. Trotz des nunmehr fast eisigen und strammen Windes. Wir hoppeln über wieder sehr spartanische Straßen Kilometer um Kilometer nach Süden Richtung Lido di Salerno. Der klingt hübscher als er ist und auch der Radweg hier entlang hat bessere Tage gesehen. Als er plötzlich durch einen riesigen Betonblock an einer Brücke versperrt wird (habe ich (Molle) gar nicht bemerkt), muss ich 50 Meter zurücksetzen und da fällt unser Blick auf das Hotel Ancora. Vier Sterne. Oh, was kostet das wohl? Für 60 € mit Frühstück würden wir ein ordentliches Zimmern bekommen. Bloß raus aus dem Wind! Wir zögern nicht lange.

Das Hotel hat sicher bessere Tage gesehen und die vier Sterne sind „Landeskategorie“ – für uns passt es in diesem Moment aber mehr als perfekt. Nach einem langen, erlebnisreichen und am Ende sehr kalten Tag, sind wir froh, hier unterschlüpfen zu dürfen. Morgen gehts auf die Fähre nach Palermo. Sizilien, wir kommen!

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