…“eine tolle Kombination für nachhaltige Mobilität“, so wirbt die Deutsche Bahn.
Na dann versuchen wir das mal in Spanien, dachten wir uns. Man liest ja so verschiedenste Informationen, wann man nach einer Corona-Infektion wieder Sport machen sollte. Von „4 Wochen Pause“ bis „auf den Körper hören“ ist alles dabei.
Da wir nun aber aus dem Hotel in Viviero mussten und uns zwar soweit nicht mehr krank fühlten, Molle allerdings noch immer keinen negativen Test vorweisen konnte und sich noch nicht so stark fühlte, beschlossen wir, den Zug an die Westküste nach Ferrol zu nehmen. In Regionalzügen ist die Fahrradmitnahme in Spanien problemlos möglich, soviel wussten wir. Also, die Idee bis Santiago zu radeln aufgegeben und ab in den Zug. Die Bahnstrecke Ferrol-Oviedo hatten wir auf unseren Etappen schon oft überquert – läuft sie doch die meiste Zeit entlang der nördlichen Küste. Und während unsere Woche in Viveiro hatten wir die Züge kommen und gehen sehen. Unserer aber kam erstmal nicht. Verspätung – gibt es also auch hier.
Kein Problem, dachten wir. 15 Minuten später rollte der Doppel-Triebwagen ein und wir machten es uns für gemütliche, aussichtsreiche 2 Stunden gemütlich. Kurz außerhalb Viveiros hatte der Zug den ersten relativ steilen Anstieg zu bewältigen und tat sich kaum leichter als wir, wären wir auf den Rädern gesessen. Er zuckelte extrem langsam vor sich hin, schaffte es aber. Die Landschaft im Norden Galiciens ist allerdings sehr hügelig und wenn man die Zugstrecke auf der Karte so nachvollzog, konnte man sehen, was unserer Bahnfahrt noch an Höhenmetern bevorstand. Kaum kam der nächste Hügel, das gleiche Spiel: zuckeln, stehen, ruckeln, rückwärts rollen, bremsen, Schwung holen… ein bisschen das Gefühl, das man als Fahrschüler hatte, wenn man am Berg anfahren musste. Schweißperlen auf der Stirn inklusive. Das Ganze war nicht sehr vertrauenserweckend, aber das ist ja auch nicht das erste Mal, dass hier ein Zug fährt, dachten wir uns. Es wurde immer schlimmer. Kurz nach dem kleinen Dörflein Loiba – mitten in den Hügeln an der Nordspitze Spaniens war kein Anfahren mehr möglich. 10 Minuten versuchte der Triebwagenfahrer noch, das Teil zumindest ins Schrittempo zu versetzen, doch es hängte einfach am Berg. Die Schaffnerin hatte mittlerweile erklärt, dass wohl der Motor des zweiten Triebwagens kaputt sei. Und dann gab er auf. Er rollte rückwärts zurück zum Dorf-Bahnsteig und wir nutzten die Chance, den Zug hinter uns zu lassen. Lieber radeln als ungebremst die Berge rückwärts runterzurauschen – wer weiß, denkt man sich, was vielleicht noch alles versagt? Alle Passagiere mussten aussteigen.
Und wir konnte einfach aufsteigen und losradeln. In so einem Moment liebt man sein Rad nochmal mehr! Genial. Durch Eukalyptuswald und kleine Berg- und Küstendörfer fuhren wir bis südlich von Ortigueira und checkten in ein Hotel an der Ausfallstraße ein. Im Restaurant bekamen wir Hausmannskost.
Für den nächsten Morgen beschlossen wir, dem Zug nochmal eine Chance zu geben und Senra bis Xuvia (kurz vor Ferrol) zu überbrücken. Dazu war zwar ein früher Aufbruch nötig, doch so waren wir bereits am frühen Vormittag auf der Radstrecke und folgten – wie sollte es anders sein – mal wieder dem Jakobsweg bis Pontedeume. Von dort genossen wir die wunderschöne Küstenstrecke „Estrada Miño – Pontedeume“ bis Miño und bekamen ein Zimmer für nur 40 Euro mit Frühstück im Hotel Crisol mit Balkon und Meerblick.
Am nächsten Tag kletterten wir gemächlich unter Vermeidung größerer Straßen (hier um Ferrol und A Coruña ist alles recht stark besiedelt und dementsprechend auch Verkehr) über Hügel und Dörfer bis zu der Stelle, an der der Rio Mero aus dem Stausee herausfließt. Von dort führte ein flacher und wunderschöner Radweg hinaus bis ins Stadtgebiet von A Coruña. Wir fuhren auf die östliche Seite des Fjords Ria do Burgo und bekamen im Hotel Santa Christina im gleichnamigen Hotel das letzte Zimmer. Mit galicischem verglasten Erker. Wie immer am Wochenende war auch dieser Stadtteil mit seinen Hotels, Bars und Restaurant extrem „buzzling“.
Für den nächsten sonnigen Vormittag ging unser Plan auch auf. Wir rollten gemütlich auf Radwegen nach A Coruña hinein, verschafften uns einen Überblick über die Altstadt, die Strände, den Hafen (die „Emerald Princess“, ein mächtiges britisches Kreuzfahrtschiff ruhte sich hier gerade aus) und die Gebäudeensembles mit ihren typisch galicischen weiß getünchten und verglasten Holzbalkonen.
Mittags stiegen wir in den Zug nach Süden, um ihn gut 20 Mintuen später bei Ordes wieder zu verlassen, wollten wir doch von hier wenigstens noch bis Santiago die Compostela radeln. Ein Stück noch dürfen wir dem Via Verde folgen, der auf der alten Bahntrasse Richtung Santiago läuft. Da die Bahn allerdings dann in einem kilometerlangen Tunnel verschwand, ist auch der Radweg hier nicht mehr ausgebaut, das lässt sich wahrscheinlich nicht realisieren. Noch einmal folgten wir der Muschel und erreichten mutterseelenallein durch verwunschene Waldabschnitte und über Hohlwege und Hügel den Stadtrand von Santiago. Was hier im Sommer los ist, kann man kaum erahnen. Alles wirkt ruhig und beschaulich, doch ein rieisiges, geschlossenes Pilgercafé am Wegesrand mit seinen vergilbten Hinweisschildern auf Coffee & Hamburger spricht von deutlich unruhigeren Zeiten hier.