03.04.2010 (m) – Osaka – Nara: 48km, 750Hm
Ein Glück, dass wir gestern noch am PC die GPS-Tracks erstellt haben. So finden wir mit Leichtigkeit aus der Stadt und zur richtigen Stelle, an der das kleine Sträßchen nach Nara beginnt. Ohne das elektronische Helferlein wäre es sicher viel schwieriger und nervenaufreibender geworden. Fast 20 Kilometer müssen wir zurücklegen, bis wir so annähernd behaupten können, Osaka hinter uns gelassen zu haben. Shiji hat die Strecke nach Nara bereits einmal mit dem Rad zurückgelegt und uns gewarnt. Es sei doch sehr, sehr steil. Ja, unglaublich steil. Aber, so trainiert, wie wir seien, könnten wir das vielleicht auch fahren. Um es kurz zu machen: Nein, können wir nicht. Ein paar wunderbar blühende Kirschen leiten den Anstieg ein. An-stieg, im wahrsten Sinne. Die Straße, immerhin laut Karte eine offizielle Straße, kein Wanderweg, türmt sich fast schwindelerregend steil vor uns auf. Die thailändischen Rampen können hier vor Neid nur erblassen. Kurzum, wir lehnen uns in den Hang, dem bergabdrängenden Gewicht unserer Räder entgegen und schleichen nach oben. Immer wieder müssen wir anhalten, um Luft zu holen und den müde werdenden Arme und Waden Erholung zu gönnen. Das ist aber nur halb so schlimm, da wir mitten durch einen Park schieben, der mit blühenden Kirschen übersät ist. Vor dem blauen Himmel ein unbeschreiblich schönes Bild. Jung und Alt ist auf den Beinen, um sich an diesem Geschenk der Natur zu erfreuen.
Insgesamt drei Kilometer kriechen wir so vor uns hin, ehe eine Gruppe Japaner, die bergab läuft zum Gipfelsturm bläst und uns mit drei Fingern die letzten dreihundert Meter anzeigt. Ein bisschen mehr ist es dann doch noch, aber es wird flacher und wir können gar wieder auf dem Rad sitzend vorwärts kommen. Am Scheitelpunkt der Straße steht ein schönes japanisches Holzhaus, das sich bei genauerem Hinsehen als kleines Restaurant entpuppt. Davor sitzt eine vierköpfige Familie und schlemmt schon. Ich trete dazu – „konichiwa“ – und orientiere mich an deren Tellern, was es denn so gibt. Ich bitte den Mann, mir ein Curry und eine Udon-Suppe zu ordern, denn die Frauen des Restaurants sprechen kein Englisch und das Menu besteht aus vielen lustigen Zeichen. Als Katrin eintrifft, hieven wir den kleinen Holztisch in die Sonne und erfreuen uns an dem Mahl. Es schmeckt vorzüglich. Fast ebenso steil geht es nun auf der anderen Seite wieder hinunter. Es ist ziemlich frisch, aber die Sonne scheint und die Landschaft ist ganz hübsch. Unten angelangt machen wir drei Kreuzzeichen, dass uns das GPS durch das Straßengewirr lenkt. Niemals hätten wir sonst den Weg gefunden! Wir hätten wohl auf die fette Hauptstraße ausweichen müssen, so fahren wir auf kleinsten Nebenstraßen durch Wäldchen und über nochmals richtig steile Rampen nach Nara. Kurz orientieren wir uns in der Stadt, die ziemlich überlaufen erscheint. Aber es ist ja auch Samstag, Kirschblüte und der Ort hält insgesamt acht Mal Unesco-Weltkulturerbe bereit. Unter anderem den riesigen Holztempel Todji. Der steht für uns morgen, vor der Weiterfahrt nach Kyoto, auf dem Programm. Heute ist es schon zu spät. Wir kaufen noch rasch ein und folgen dann dem Navi zum Campingplatz. So richtig glauben wir nicht daran, hier einen anzutreffen, so verwinkelt ist das alles, vorbei am Friedhof, schnurstracks auf einen Wald zu. Aber, genau an der Stelle, an dem der Platz sein, soll, wenden wir uns nach links und erspähen in einem kleinen Wäldchen so etwas wie einen Campingplatz. Fröhlich steuern wir darauf zu, schwenken ein und – lösen einen Alarm aus. Etwas verdutzt laufen wir wie aufgescheuchte Hühner über den Platz und lösen dabei weitere Alarme aus. Blinkende Lichter, irgendwelche Stimmen! Ja spinnen die, die Japaner? Auf dem Gelände belädt ein Mann gerade sein Auto, scheint sich aber nicht für uns zu interessieren. Schließlich stehen wir in der Mitte des winzigen Platzes, als der Alarmreigen verstummt. Wir sprechen den Mann an, machen mit unseren Händen das Zeichen für Dach/Zelt. Der Mann kreuzt die Hände vor dem Körper, was heißt: geht nicht, gibt’s nicht, weiß ich nicht! Aha, der Platz ist also geschlossen. Wir betteln ein wenig weiter, schließlich wird es gerade dunkel. Der Mann telefoniert ein wenig herum, kommt dann zurück. Nein, das gehe hier nicht. Katrin startet noch einen Versuch und schließlich willigt der Mann ein. Wir sollten aber in der Mitte des Platzes bleiben (wegen des Alarms), morgen um 8 Uhr hier weg sein und „pssst“, nichts sagen. Versprochen! Leider lösen wir beim Holen unserer Räder nochmals das Alarmspektakel aus, dann ist aber Ruhe. Wir bauen unser Zelt in der Zone auf, kochen ein paar Nudeln und hauen uns aufs Ohr. Aus dem Gewächshaus nebenan dringt Musik zu uns herüber – das wird die ganze Nacht so bleiben. Ich würde das Wachsen einstellen bei dem Gedudel…wir sind aber so müde, dass wir trotzdem einschlafen.
Bis uns um 2 Uhr der Lärm eines Motorrads weckt. Kurz darauf wird der Alarm ausgelöst! Jetzt ruhig bleiben. Ist Japan nicht eines der sichersten Länder weltweit? Taschenlampen flackern auf. Nähern sich unserem Zelt. So, jetzt wir zurückgeleuchtet. Katrin schaltet ihr Lämplein ein und hält auf die zwei dunklen Gestalten in Lederjacken drauf. Die Männer reden auf Japanisch. Katrin kreuzt die Hände vor der Brust: geht nicht, weiß ich nicht, gibt es nicht! Das wirkt. Höflich entschuldigen sich die Männer, sogar auf Englisch: solly! Die Lampen entfernen sich, die Alarmanlage springt nochmal an (wer denkt sich ein so hässliches Heulen aus), ein Motorrad wird angelassen und knattert davon? Was das sollte? Wir werden es nie erfahren. Wahrscheinlich wollten die beiden Dealer das Marihuana aus dem Gewächshaus abholen, das durch die Musik hochwertiger wird und sich besser verkaufen lässt…