Sprachlos

12.11.2009 (m) – Hekou (China) – Sapa (Vietnam): 38km, 1600Hm

Heute ist es soweit! Der Grenzübertritt, auf dem Landweg immer eine besondere Sache. Ein letztes Mal für einige Monate, die unterdessen richtig lieb gewonnene Nudelsuppe als Start in den Tag. Noch einmal beobachten wir fasziniert das morgendliche Treiben, das Kochen am Straßenrand, das zufriedene Schlürfen der hungrigen Chinesen. Auf dem Weg zur Grenze, die Hitze ist schon fast zu drückend um 9 Uhr, erleichtern wir einen Supermarkt nochmals um einige chinesische Waren, an die wir uns als „Wegbegleiter“ so gewöhnt haben. Wer weiß, was in Vietnam in der Regalen steht! Tja, und dann nähern wir uns der Grenzanlage, einem großen Betonbogen, quer über die Straße, geziert mit chinesischen Schriftzeichen und dem Wappen. Wir fahren einfach mal drauf zu, schon schneidet uns ein Grenzbeamter den Weg ab. „So leicht kommt ihr hier nicht raus“, scheint er zu denken. Freundlich weist er uns den Weg zu einer langen Schlange, die sich unvermittelt aus einer Seitenstraße heraus bildet. Es handelt sich vorwiegend um vietnamesische Händler, deren Fahrräder bzw. deren Gepäckträger hoffnungslos mit Säcken und Kisten überladen sind. Und zwar derart, dass sie kaum in der Lage sind, die Gefährte alleine bewegen zu können. Und so hilft man sich gegenseitig. Irgendwie haben wir das Gefühl, dass wir ein bisschen bevorzugt behandelt werden, denn man reiht uns in die vordere Schlange ein, ehe wir 180° um ein Häuschen herumgelenkt werden und ins „Abfertigungshaus“ gebeten werden. Sehr unkompliziert und auch ohne Gepäckkontrollen oder sonstige Schikanen erhalten wir unsere Ausreisestempel. Ein Beamter bringt uns zurück zum Betonbogen, durch den man auf eine Brücke gelangt: „Bai, bai.“ Und wir sind draußen.

Ein kurzer Blick noch zurück, schon erreichen wir die vietnamesische Abfertigungshalle. Hier läuft alles etwas stockender. Einige Formulare sind auszufüllen, H1N1-Fragebogen und der Zoll möchte noch wissen, ob wir ja nicht zu viel mitbringen. Gelächelt wird wenig, dafür sind die Formalitäten samt aller Stempel, die wir brauchen bald getätigt. Vorbei am ausgeschalteten Röntgengerät, eine steile Rampe hinab und wir sind in einem neuen Land. Einige Männer begrüßen uns gleich aufs Herzlichste und packen beim Tragen der Räder, einige Stufen hinab, mit an. „Change money?“, ach so, wir sind ja nicht mehr in China. Plötzlich sind wir als Touristen interessant. Wir müssen uns wohl umstellen. Tja, und uns, respektive Katrin, fehlen plötzlich die Worte. Chinesisch spricht hier keiner mehr.

Wir lehnen auf jeden Fall dankend ab und wollen unsere Yuan lieber bei einer Bank tauschen. Doch so leicht lässt sich einer der Männer nicht abschütteln. Er folgt uns und gestikuliert wild: „No bank, no bank!“ Ja klar. Glaub‘ ich sofort. Schon 150m nach dem Grenzhäuschen taucht am Rand die erste Wechselstube auf, nein, Renmimibi wechselten sie nicht, aber 200m die Straße rauf, da gäbe es eine Agribank, die machten das. Und so ist es auch. Zehn Minuten später sind wir Millionäre und um gut acht Millionen Dong reicher! Der Bankangestellte schmunzelt, als ich ungläubig auf die achtzig 100 000 Dong Scheine blicke. Ja, so ist das mit der Inflation.

Die ganzen Aktionen haben doch mehr Zeit gekostet als gedacht und trotz Zeitumstellung (- 1 Stunde) ist es schon nach 11 Uhr, schließlich musste ja noch eine neue SIM-Karte gekauft werden und die Angestellten im Vinaphone-Shop waren sehr freundlich, leider aber dem Englischen kaum mächtig. Hat aber dennoch geklappt.

Wir sind froh, dass wir den ganzen Minibus- und Xe Om-Fahrern abwinken können und auf unser Rad verweisen können, was die Auffahrt nach Sapa angeht. Gut beschildert ist der Abzweig und so fahren wir in großer, großer Hitze bei blauem Himmel in ein kleines Tal hinein, umgeben von zahlreichen Schulkindern, die in ihre Dörfer nach Hause laufen und radeln. Nach gut zehn Kilometern steigt die Straße heftig an und das bleibt – nur unterbrochen von zwei kleinen Zwischenabfahrten – so. Nicht dass es uns wundert, müssen wir doch von 50m ü.d.M. aus Lao Cai bis auf 1600 ü.d.M. hinauf. Die Strecke ist wirklich extrem steil, immer wieder säumen 10%-Schilder die Straße. Die Hitze tut ihr übriges. Doch fühlen wir uns recht gut und so ist die Arbeit nach gut fünf Stunden getan. Ausblicke bieten sich unterwegs wenige, es ist doch sehr diesig. Trotz allem liegt der Fansipan und die ihn umgebende Bergkette der tonkinischen Alpen fast völlig frei im Abendlicht vor uns. Über 3000m ragen die Berge auf, der Fansipan mit 3156m stellt den letzten großen Gipfel der Himalaya-Kette. Rasch finden wir ein nettes, kleines Hotel, sehr zentral und mit kleinem Balkon, der auf die Berge ausgerichtet ist. Man stelle sich zwei zufrieden müde Radler mit einem Bierchen in der Hand und der Abendsonne im Gesicht mit Blick auf den Fansipan vor. Mehr Worte würden hier nur stören.

Leider ist die Sonne dann doch irgendwann hinter dem Massiv verschwunden und es wir deutlich kühler. Eine heiße Dusche bereitet uns für den Gang in die Stadt vor. Hunderte Touristen tummeln sich zwischen Souvenir-, Schmuck- und Stoffständen. Die meist betagten Damen und Herren in Zip-Hosen und Sandalen, Trekking-Schuhen und Gore-Tex-Jacken werden gejagt von „Hilltribe“-Frauen und –Kindern, die in oft perfektem Englisch oder gar Französisch auf sie einreden, dass sie doch von ihnen kaufen mögen. Der Ortskern wird von Restaurants (Italiener, Inder, Spanier, Franzose) und Geschäften (Supermarkt, Souvenirs, Outdoorwaren) gebildet. Am Straßenrand sind dann wieder Hilltribes aufgereiht, ihre Waren auf Decken vor sich ausgebreitet. Da sitzt dann schon mal eine Omi in Tracht mit ihrem Korb auf dem Rücken und in beiden Händen Ohrringe und Ketten vor dem „T-Bone-Steak-Haus“.

Wir sind sprachlos!

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