29.04.2010 (k) Ako – Onomichi mit dem Zug, 42 km Fahrrad
In der Nacht hat es kurz geregnet und uns schon wieder in schwärzeste Gedanken gestürzt, weil es so stark war, doch gegen halb fünf setzt ein Sturm ein, der alle Wolken vertreibt. Die kleinen Büsche schützen unser Zelt gut, ansonsten hätten wir wohl nicht mehr gut geschlafen. Gegen 7 Uhr stehen wir auf – wir wollen ja nicht zum Glotzobjekt all der Touristen werden, die heute, am ersten Tag der Ferienwoche, hier zum Strand kommen. Eine kleine Bäckerei liegt auf dem Weg zum Bahnhof und wir decken uns mit leckersten Croissants, Schokocroissants und Fettteilchen ein, wie wir es sonst nur auf Frankreichurlauben können. Mmh, dazu mundet der Kaffee vom Kombini und der Tag kann beginnen. Ein Baguette haben wir noch als „präsento“ bekommen, es war wohl vom Vortag. Schmeckt aber noch vorzüglich mit Schokocreme.
Um 9.05 Uhr steigen wir in den Zug. Eine Verbindung, die ich gestern noch erfragt hatte, und die uns ohne Umsteigen (welch ein Wunder!) bis nach Onomichi bringt. Hier startet die „Brückenroute“. Sieben spektakuläre Hänge- und Stahlkabelbrücken verbinden den Westen Honshus und die Insel Shikoku. Die ganze Strecke ist eine Autobahn, doch die Brücken sind mit Rad- und Fußgängerwegen ausgerüstet. Säuberlichst wurde eine Fahrradroute von Onomichi nach Imabari durchgelegt, vorbildmäßig beschriftet und touristisch ausgeschlachtet: Es gibt auf der 70 Kilometer langen Strecke 12 „Rent-a-cycle Terminals“, Toiletten, Waschhäuser und Raststätten und auch Campingplätze. Um 12.00 Uhr sind wir da und es kann losgehen. Die erste Brücke ist ohne Fahrradweg, weshalb man hier besser eine kurze Fähre nehmen soll. Also müssen wir doch nur über sechs Brücken fahren.
Empfohlen wird die Tour bei gutem Wetter, damit man die schönen Brücken auch sieht. Klar, welche Tour wird denn schon bei schlechtem Wetter empfohlen? Wir haben jedenfalls die Sonne im Rücken und den starken Wind im Gesicht, als wir gleich mal auf der ersten Insel in einen Supermarkt einschwenken, um ein Mittagessen zu „ziehen“ und für die Fahrt und den Abend aufzurüsten. Die erste Brücke heißt Innoshima Ohashi und gehört zur Gruppe der Hängebrücken. Sie ist 1,339 Kilometer lang. Brav werfen wir die Maut in Form eines vorher bei der Touristeninformation erworbenen Gutscheinheftabrisses in den dafür vorgesehenen Kasten. Am Ende der Brücke darf man sich dann einen Stempel aufdrücken, dass man das Teil bewältigt hat. Die kleinen Inseln sind besiedelt und wie das Festland ausgestattet. Das Meer leuchtet blau-grün und der Radweg ist weitgehend flach – eine schöne Fahrt. In beide Richtungen strampeln zahlreiche Radbegeisterte. Jetzt, wo sie Urlaub haben, geht’s nichts wie hinaus in die „Natur“. Rennradgruppen ziehen an uns vorbei, Pärchen schlendern auf ihren kleinen Rädern dahin. Fast alle Japaner scheinen diese kleinen, klappbaren Räder zu besitzen. Mit einer Kinderradgröße, aber 27 Gängen. Und faltbar. Sieht lustig aus, aber langsam sind sie eigentlich nicht. Die 790 Meter lange Ikuchi Bashi „Cable Stayed“ Brücke (mir fällt keine deutsche Übersetzung für diese Konstruktion ein, aber ein paar Architekturbeflissene können uns sicher helfen: die Brücke wird über Stahlkabel getragen, die direkt an zwei Türmen befestigt sind.) und die Tatara Ohashi Brücke derselben Bauart überqueren wir noch, dann schwenken wir auf einen kleinen Rastplatz direkt unterhalb der Brücke ein, etwas über einem großen Campingplatz, auf dem schon einige Leute ihr Lager aufgeschlagen haben. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob dieser Bereich auch noch irgendwie zum Camping gehört, doch es wäre uns lieber, wenn nicht. Mit Blick auf die untergehende Sonne, das Meer und die Hängebrücke kochen wir unser Abendessen. So ein schöner Platz! Ein Mann kommt mit dem Moped vorbei, sagt irgendetwas, sieht, dass wir Ausländer sind und lässt es dann sein. Stattdessen lacht er und empfiehlt uns den Onsen des Ortes, der nicht weit entfernt ist. Für 300 Yen kämen wir rein, und es sei spitze, lässt seine Zeichensprache uns wissen. Da es sowieso erst kurz nach sieben ist und es zum Draußensitzen bereits wieder zu frisch ist, laden wir nochmal alles auf und fahren hinunter und einen Kilometer weiter, um ein Bad zu nehmen. Leider macht er um 8 Uhr zu, wie uns die Kassendame gleich aufgeregt klarmacht. Na gut, dann bleiben uns halt 25 Minuten. Bei den Waschstellen dann die Überraschung: der ersten Onsen ohne Schampoo und Duschgel. Alle haben ihre Privatsachen dabei und in kleinen Plastikkörbchen säuberlich verräumt. Ich belasse es bei einer Dusche und hüpfe so ins Blubberbecken. Molle hingegen bedient sich, ganz in der Annahme, es gäbe ein Gemeinschaftsschampoo, bei den Spendern seines Waschnachbarns. Dieser blickt zunächst in Zeitlupe ob der Dreistigkeit erstaunt zu ihm hinüber. Als ihm klar wird, dass da eine unwissende Westnase sitzt, erläutert er seine drei Mittelchen (Soap, Shampoo, Milk) und teilt bereitwillig.
Nach der kurzen Exkursion kurbeln wir uns wieder hinauf zu unserem Rastplatz, trinken noch ein Feierabendbier und schlafen für unsere Verhältnisse ziemlich früh.