31.08.2011 (k) Caramanico Terme – San Stefano di Sessanio: km, Hm
Gestern waren sich alle einig: so geht es nicht weiter. Es ist zwar wunderschön hier, doch heute können wir nicht wieder so viele Höhenmeter durchdrücken und werden also den Parco Nazional Gran Sasso d’Italia e Monti delle Laga ein wenig umfahren und von der Seite über l’Aquila anfahren. Wir freuen uns, dass es die ersten 38 Kilometer mal bloß runtergeht und hätten es doch wissen müssen, dass das hier niemals der Fall sein kann. Bis Caramanico Terme geht es tatsächlich mal 7 Kilometer nur runter und gerade so beschwingt legen wir auf einer schönen Terrasse eine ausgiebige Frühstückspause ein. Noch ein paar Erledigungen im Thermalort, in dem sich die gesamten Rentner Mittelitaliens zu tummeln scheinen, und ein paar Kehren geht es dann tatsächlich bergab. Dann allerdings brauchen wir noch eine geraume Zeit bis Tocco da Casauria, das an der Autobahn Pescara-Rom liegt, denn unser Sträußchen wurde ja nicht ohne Grund gebaut und bedient daher auch alle Dörfer, die hier auf der Strecke natürlich auf Hügeln oder über Schluchten liegen. Es ist daher schon Mittag, als wir unsere „Abfahrt“ in Popoli beenden und unter einem unscheinbaren „Ristorante“-Schild verschwinden. Der Speisesaal spricht Bände aus längst vergangener Zeit – 1845 gab es hier die erste Verpflegung so entnehmen wir den Bildern und den Aussagen des Patrone. Die Pasta ist dafür umso frischer – jeder kommt wieder auf seine Kosten und wir müssen zugeben, dass Italien auf der Versorgungsliste von Radfahrern gleich hinter China kommt (dort haben einfach mehr Geschäfte geöffnet). So geil! Draußen empfangen uns gefühlte 50 Grad, was uns gerade nur 15 Meter bis zur nächsten Bar kommen lässt. So richtig Lust auf die 60 Kilometer Hauptstraße bis L’Aquila hat keiner von uns, es stehen schon Zugvarianten im Gespräch – zumindest für Molle und mich eine Option. Da nimmt sich Molle noch einmal die Karte vor und entwirft einen neuen Plan der ungefähr dieser Logik folgt: Ich bin heute so fertig und k.o., ich kann mir keine 800 Höhenmeter mehr vorstellen, lieber fahre ich gleich 1300 Höhenmeter hinauf in die Berge. Alle sind dabei. Wir folgen 17 Kilometer einer neuen Ausbaustrecke die in den Nationalpark Monti della Laga mündet und biegen dann auf eine sensationelle, unbefahrene Passstraße ein. Zahlreiche, nicht näher bezifferte Kehren sind in den Berg gemeißelt, ein wahrer Radtraum. Molle und ich füllen noch bei einem Rentner Wasser auf, der gerade aus seinem Haus gelaufen kommt, um Tomaten zu ernten. „Sprechen Sie deutsch?“ fragt er, als er unsere deutsche Flagge an meiner Fronttasche sieht. Natürlich spricht er es – er lebt in Nürnberg, hat dort sein Arbeitsleben lang in einer Druckerei malocht und ist nun in Rente. Im Sommer ist er immer einige Zeit hier beim Haus seines Bruders, doch ganz zurück das will er nicht. Die weitere Auffahrt im Abendlicht macht trotz Anstrengung richtig Laune. In Calascio verzweigt sich die Straße und wir sind froh, dass wir nicht ganz hinauf müssen zum Castel d. Monte, das hier über allem thront. Bis zum Campingplatz in s. Stefano sind es noch 6 leicht ansteigende Kilometer auf einer Panoramastraße. Wirklich einmalig. Noch bei Tageslicht gelingt es uns, die Zelte aufzubauen. Auch wenn uns der „Klettertyp“ von den mit seinen Bergseilen parzellierten Parzellen verscheucht – seine Frau hat ein strahlendes Lachen und macht sein Gehabe wett. Je nach Fertigkeitsgrad ist auch die Entscheidungsfähigkeit in einer Kleingruppe wie unserer nicht immer leicht, doch letztlich steigen wir tatsächlich noch einmal aufs Rad und schottern hinunter zu einem Restaurant mit Pizzeria, das erst seit wenigen Wochen geöffnet hat. Im restaurierten Gewölbesaal sitzen wir beinahe ritterlich und speisen königlich. Das Glücksgefühl kehrt in die Gesichter zurück. Hat sich einmal mehr gelohnt, dass wir hochgefahren sind. Wir können’s einfach nicht lassen … und das ist gut so!
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