Unesco, Unesco

29.05.2010 (k) Chengde – Jinshanling Große Mauer: 98 km, 500 Hm

Unesco, Unesco

Zuallererst ein herzlicher Geburtstagsgruß an meine geliebte Großmutter ins Allgäu. 90 Jahre bist du heute – ein stolzes Alter, wie man so schön sagt! Fühl dich fest gedrückt von uns und freu dich auf die Party, die wir steigen lassen, wenn wir wieder daheim sind!

Bis dahin werden wir aber noch ein paar Kilometer zu fressen haben. Knapp 100 davon gleich heute. Das Wetter hat sich wieder beruhigt, wir können los. Die Putzmoppfrau im Erdgeschoss, die jeden Vormittag zum Dreckverschmieren im Treppenhaus kommt, schaut auch schon ziemlich pampig, als wir die Räder beladen. Haben wir ihr doch vorgestern gesagt, dass wir am nächsten Tag sowieso abfahren. Es ging dabei um unsere Räder, die wir im Hausgang neben dem Aufzugeingang an ein Rohr gekettet hatten. Es hat den Zustieg zum Aufzug vielleicht um gefühlte 10 cm enger gemacht. Das kann nicht der Grund gewesen sein, warum sie gern gehabt hätte, dass wir die Dinger woanders parken. Ich vermute, wir haben ihre Ecke versperrt, in die sie immer den Dreck schiebt. Na, jetzt ist ja wieder Platz!

Nach einem Baozifrühstück verlassen wir Chengde auf der Nationalstraße 101, die für heute unsere Straße ist. Wir haben etwas Bedenken, weil es sich eben nicht um eine kleine Nebenstraße handelt, doch da die Autobahn ständig in der Nähe verläuft, hoffen wir auf nicht allzu viel Verkehr. Vielleicht hat die Theorie sich als richtig erwiesen – als wir gut 10 Kilometer hinter der Stadt sind hat sich das Aufkommen auf unserer Straße auf ein erträgliches Maß reduziert und nimmt sogar im Verlauf des Tages noch ab, so dass man das Gefühl hat, auf einer Provinzstraße zu sein. Besonders nach einer Schranke und mehreren Schildern, die wir nicht lesen können, von denen wir aber annehmen, dass es sich um Baustellenhinweise handelt, schläft der Verkehr fast gänzlich ein. Gut für uns – können wir so doch die grandiose Landschaft bewundern. Unerwartet stehen hier ansehnliche grüne, zerklüftete Berge neben uns und in der Ferne. Ständig tauchen neue Höfatsverschnitte auf, die mit dem blauen Himmel und den weißen Wolken ein attraktives Bild abliefern. Zweimal kommt eine graue Wand gefährlich nahe und wir werden von einem kurzen Schauer erfrischt, doch ausnahmsweise hat der Gegenwind einen Vorteil: er bläst die Front zügig über uns hinweg, während wir extra schnell in die andere Richtung weiterstrampeln. Die Sonne wärmt und trocknet uns gleich wieder. Baustellenabschnitte halten sich in Grenzen, es wird gerade nicht an der Straße gearbeitet und an den Stellen, wo der Teerbelag abgefräst ist, ist der Untergrund trotzdem gut befahrbar. Als wir durch ein kleines Dorf kommen sehen wir, dass eine Schlachtung am Straßenrand im Gange ist. Das hatten wir schon öfter gesehen: Schweine wurden überbrüht und entborstet, Rinder entfellt und Lämmer aufgeschlitzt. Vom Federvieh ganz abgesehen. Doch heute passieren wir einen Hundegalgen. Drei große Hunde sind aufgeknüpft, ein vierter liegt auf rücklings auf einem Holzbock zur Verarbeitung. Ihre Augen sind weit geöffnet, würden sie sich nicht so still verhalten könnte man fast meinen, sie lebten noch. Wir wussten gar nicht, dass hier im hohen Norden Hundefleisch auch so populär ist. Eigentlich ist es doch eher im Süden gängig. Ich erzähle, dass wir bei uns kein Hundefleisch essen. Ob wir denn Lammfleisch äßen? Wenn wir Lammfleisch äßen, könnten wir auch Hund essen, das sei ähnlich. Wir glauben es gern und wer weiß, wie oft wir auf der Reise schon unwissenderweise Hund präsentiert bekommen haben. Aber es ist trotzdem seltsam, die Viecher, deren Freund man als Radler ja wahrscheinlich nie wirklich sein wird, da so hängen zu sehen. Lustig, wie man durch die Gesellschaft geprägt wird. Bei uns in Europa ist Hundefleisch tabu und das übernimmt man dann irgendwann. Wir sehen noch eine Weile zu, wie einem der Geschöpfe regelrecht das Fell über die Ohren gezogen wird und dem anderen sauber die Haare vom Kiefer getrennt werden, dann verabschieden wir uns. An der Abzweigung zur „Jinshanling Great Wall“ steht ein kleines Dorf, wir sehen aber auf die Schnelle kein Geschäft, um Wasser zu kaufen und denken, die vier Kilometer bis zum Ziel auch noch ohne zu schaffen. Am Touristenpunkt am Fuße der Mauer, die hier noch nicht gleich sichtbar ist, angekommen, sollen wir erst einmal ein Ticket kaufen. Ich möchte aber vorher noch sehen, ob das Hotel, das hier steht, überhaupt unserer Preisvorstellung entspricht. Klar, wir sind an der Großen Mauer in einem erstklassigen Touristengebiet, da schläft es sich nicht so billig wie irgendwo in Chinas westlicher Provinz. Das Hotel möchte für die einfacheren Zimmer 300 Yuan. Wir überlegen, was zu tun ist und versuchen uns zunächst am Getränkekauf neben dem Ticketschalter. Wir erklären der netten Dame, was ein großes Wasser uns seit fünf Monaten überall in China so ungefähr kostet. Ja, aber doch nicht hier, meint sie. Ja, selbstverständlich nicht hier, hier ist ja ein Unesco Weltkulturerbe, klar dass man da mal so richtig hinlangen kann. Mit fröhlichem Verhandeln einigen wir uns auf den kleinen Touristenpreis und kaufen dafür kräftig Wasser und Bier ein. Wir kommen mit den umstehenden Leuten ins Gespräch, die unsere bisherige Reise bestaunen. Als die Getränkedame erfährt, dass uns das Hotel eigentlich zu teuer ist, ruft sie eine Bekannte an, die ein Gästehaus hier hat (obwohl mir die Hoteldame erklärte, es gäbe keine anderen Gästehäuser). Wir kaufen Eintrittskarten (sie gelten wohl drei Tage) und dürfen nun der Bekannten, die gelaufen kommt, folgen. Im Hof ihres Hauses steht ein Zimmerchen. Die Sonne hat es durchs Panoramafenster auf angenehme 40 Grad erwärmt. Es ist ausgesprochen einfach mit Gemeinschaftsdusche und Toilette über dem Hof. Eigentlich in kleinen Orten für uns genau richtig, doch die Besitzerin weiß auch, wo sie wohnt, und lässt sich gerade so auf 180 Yuan herunterhandeln, was über dem Preis eines nagelneuen Buisenesshotels liegt. Dann doch lieber das Hotel. Wir schaffe es sogar noch, einen Zweitagesrabatt herauszuschinden und wir bekommen ein Zimmer mit eigenem, abschließbaren Garten für 250 Yuan. Das Hotel ist im Courtyardstil erbaut. Im Grunde können wir sehr froh sein, dass hier nicht nur eine Nobelherberge steht, mit Zimmerpreisen von 100 Euro aufwärts. Zufrieden sitzen wir in unserem Gärtchen und zischen das Ankunftsbier. Auf dem Weg zum Restaurant sehen wir auf einer großen Karte der Region, dass es hier sogar einen Campingplatz gibt. Na toll! Aber eigentlich wäre das wohl sowieso nicht das Ideale, da wir dann alles einfach im Zelt liegen hätten, wenn wir morgen zum Wandern auf die Mauer gehen. Zum ersten Mal in China fragen wir vor dem Bestellen im Restaurant, was einzelne Gerichte kosten – soweit sind wir nun also schon! Doch wir haben das Gefühl, man muss hier im Touristengebiet wirklich besser nachfragen, bevor man eine böse Überraschung erlebt. Nicht, dass wir jetzt unter die Geizhalse gegangen wären, aber es gibt eben auch so etwas wie ein Preis-Leistungsverhältnis. Beim Essen ist hier allerdings alles im Lot. Kurz nachdem unsere Gerichte aufgetischt sind, lässt sich die gesamte Belegschaft von Hotel und Restaurant zum Abendessen nieder. Schön zu sehen, wie die Köche ihre eigenen Gerichte verschlingen. Dann kann es doch nur gut sein.

29Mai2010

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