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Vale, venga, Vigo, ciao!

von sabbatradler
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Vale, venga, ciao! Das hört man in Spanien oft. Man sagt damit eigentlich nichts und doch alles. Jeder und jede verwendet diese Phrasen am Ende eines jeden Gesprächs. Basst scho, alles klar, servus! Wie bei uns halt.

Nach Vigo wollten wir ursprünglich gar nicht. Letztlich sind wir drei Tage geblieben. Wie so oft auf dieser Reise haben wir uns das etwas Mehr an Zeit gegönnt. In diesem Fall war‘s zuerst der Wetterprogrnose geschuldet. Ein bisschen neugierig waren wir zugegebenermaßen aber auch. Solche Sätze in der eingschlägigen Lektüre machen uns naturgemäß stutzig: „Galiciens größte Stadt ist auch Standort der größten Fischereiflotte Spaniens. Vigos Stadtbild ist nicht sonderlich attraktiv…“. Es folgen noch zwei Sätze, das war‘s. Klingt so, als gäbe es hier nichts zu tun und nichts zu sehen.

Wie quartierten uns zentral in einem kleinen Hotel ein und ließen die Fahrräder die meiste Zeit stehen. Vigo ist sehr hügelig und das Wetter lud meist auch nicht zum munteren Biken ein. Die Sache mit dem Stadtbild stimmt auf den ersten Blick schon, da gibt es schnuckeligere und schönere Städte. Dafür gibt es in Vigo aber zum Beispiel sehr viel Street Art, auf einer Internetseite werden sogar die Standorte der Kunstwerke gesammelt. Und Skulpturen gibt es auch viele.

Einen guten Überblick über die Lage verschafft man sich mit einem Spaziergang zum Castro, das gut 200 Meter über dem Meeresspiegel über der Stadt trohnt und einen 360°-Blick ermöglicht. 

Das viele Laufen durch die Gassen machte natürlich hungrig und wir entdeckten ein kleines Restaurant, das ein „Menu del dia“ für die Arbeitenden (und im Fall auch für uns Touristen) für 10 € anbot. Dafür gab‘s unglaublich „ehrliche“ Hausmannskost. Die Mutter hatte alles vorbereitet und verließ Punkt 13:00 Uhr den Herd, serviert wurde alles von den „Jungen“. Linsensuppe, Sardinen, Rinderbraten mit Kartoffeln. Alles frisch, ohne Schnickschnack und wirklich hervorragend.

Das Durchdringen einer Stadt ohne Kulinarik geht bei uns eben nicht. Deswegen gab‘s natürlich auch noch Sushi, Ramen und die ein oder andere Käse- und Schinkenplatte zum Cerveza. 

Irgendwann schlendert man zunächst zufrieden zum Hotel zurück und sieht dann, wie Obdachlose sich in den kalten und zugigen Haus- und Ladeneingängen unter einem Stapel Decken verkriechen und schleicht vorbei an einem Leerstehenden Stockwerk im Hotel, in dem unsere Fahrräder trocken, warm und sicher stehen und dann, dann hat man ein schlechtes Gewissen, denkt man müsste da doch was tun, fühlt sich hilf- und machtlos. Man denkt an die Obdachlosen, die es auch in Deutschland, im Allgäu und überall auf der Welt gibt und fragt sich, ob das so sein muss?! Dass man an Spaniens Küsten kilometerlang an im Winter leerstehenden Ferienwohnungen vorbeiradelt, dass unsere Fahrräder einen bessern Platz haben, als ein Einheimischer in Vigo?! Wir haben keine Ahnung und eine Lösung kennen und finden wir natürlich auch keine. Immer dann aber, wenn der eigene Luxus mit der krassen Armut direkt aufeinandertrifft, wird man betroffen, es fühlt sich unangenehm an und man will eigentlich nicht, dass es sowas gibt. Manchmal gibt man ein paar Almosen, vielleicht, um das eigene Gewissen zu beruhigen. Insgesamt ist und bleibt es unbefriedigend. 

Wir wissen nicht, was die Stadt Vigo gegen die Armut unternimmt, was wir aber sahen, waren die Vorbereitungen auf die „große Illumination“ am 19.11.2022. Was hat es damit auf sich? In der gesamten Innenstadt wurden übergroße Installationen – z.B. Bäume, Kugeln oder ein Riesen-Geschenk – aus LED-Lichtern errichtet, Lichterketten und Figuren wurden über die Straßen gespannt, tagelang schufteten viele Arbeiter, um das Riesenrad aufzubauen. In den türkisen Weihnachtsmarkthütten trafen die Pächter die ersten Vorbereitungen. In der Stadt tickte eine Uhr rückwärts, die Zeit bis zum feierlichen Umlegen des Schalters und der schlagartigen Erhellung der Innenstadt. Sicher eindrucksvoll. Letzlich halt auch nur ein schöner Schein in einer für viele harten Realität.

Die Armut in Spanien hat durch die Covid-Situation ja auch nicht gerade abgenommen. Wir bleiben, was dieses Thema angeht, mal wieder ratlos und unzufrieden zurück und reisen weiter. Ein unbeschreiblicher Luxus und wir sind jeden Tag froh und dankbar, dass wir das so können. 

Zum Zeitpunkt der Illumination waren wir schon in Lissabon. Dem Regen entflohen. Zum Glück gibt‘s aber zu fast allem ein Video. Und ungefähr so kann man es sich vorstellen – als Katrin gerade im Konzert des Galicischen Symphonieorchestsers gewesen war, wurde ich draußen Zeuge eines Testlaufs am Tannenbaum:

Im Hafen stand ein Segelschiff mit Schülern, die Deutsch sprachen. Es stellte sich heraus, dass es das „Ocean College“ war auf ihrer Segeltour in die Karibik und zurück. Ein halbes Jahr ist die 47-köpfige Truppe unterwegs – von der Berliner Organisation werden übrigens Lehrer:innen gesucht. Also, wer Lust auf Segeln hat, Atlantiküberquerung im Winter und Unterricht an Board – hier gibt‘s alle Infos dazu.

Ocean College macht Station in Vigo

Um nach Lissabon zu unserem Freund Gunnar zu kommen, nutzten wir ein kleines Wetter-Fenster. Die Sonne sollte uns ein wenig begleiten, ebenso wie krasses Atlantik-Schauer-Wetter. Wenn so ein Schauer heranrollt, wird es ziemlich dunkel und dann kübelt es, als gäbe es kein Morgen. Man sucht verzweifelt ein Vordach oder irgendwas mit Dach. Meistens findet man das aber so schnell nicht und wenn man sich schließlich in die Regenjacke gepresst und irgendwann drei Minuten später das beladene Bike in eine Nische bei einer Kirche wuchtet – ihr ahnt es – die Sonne scheint schon wieder. Das Kleidungsspiel also retour und weiter geht‘s.

Fernab der Hautpstraße bedeutet das in Portugal übrigens sehr oft Kopfsteinpflaster (schwierig), Holz-Steg (genial) oder Holperpiste (eher nervig).

Manchmal kommt man dann auch an solche Stellen:

Der erhobene Daumen eines Einheimischen ließ und diese tapfer meistern. Hätten wir gekniffen, zehn Extra-Kilometer wären die unseren gewesen. 

Von Vigo rollten wir noch eine Weile an der Küste entlang, dann ging‘s über ein feines Pässchen hinunter nach Tomiño und weiter über den Grenzfluss nach Vila Nova de Cerveira. Entlang einer schönen Eco-Via kamen wir noch genau bis zum Bahnhof in Esqueiro.

Der Regionalzug und die Regenfront rollten praktisch zeitgleich ein und eine gute halbe Stunde später waren wir schon in Viana do Castelo. Ein schuckeliger Ort in dem wir den Tag in einem netten kleinen Lokal bei Hausmannskost ausklingen ließen. 

Der nächste Tag führte uns landschaftlich wunderschön und straßentechnisch meist hoppelnd bis Povoa de Varzim. Die Sonne neigte sich schon und die Kühle des bevorstehenden Abends kroch herbei, als wir in den Urbano nach Porto schlüpften und inmitten der Metropole wieder ausgespuckt wurden. 

Unser Hotel lag zentrumsnah direkt am Douro und so konnten wir in Ribeira noch Night-Life-Feeling schnuppern.

In jedem Fall schnupperten wir noch am nächsten Tag das Frittierfett an unserer Kleidung, das in der kleinen und sehr feinen Küche verwendet wurde, um uns am Vorabend zu sättigen. 

Am nächsten Vormittag blieb uns noch Zeit, um die Altstadt Portos zu erkunden. Wir kurbelten ein bisschen umher und klapperten ein paar Highlights ab. Um tiefer einzutauchen, dafür müsste man wohl noch mal vorbeischauen.

Kurz vor dem Bahnhof übersah Katrin dann noch eine gemeine Bordsteinkante und rasselte mit dem bepackten Rad eine Stufe tiefer. Ich konnte das von der Seite beobachten und dacht mir: „Autsch, das war ja krass!“. Das dachte sich der Gepäckträger übrigens auch und brach an der Schraubenaufnahme bei der Nabe. Merken: Deswegen sind Kabelbinder im Gepäck un-ver-zicht-bar!

In gut drei Stunden brachte uns der IC (mit Fahrradplätzen) nach Lissabon. Es war schon dunkel, als wir den Vorortzug in Cascais verließen und ein paar Kilometer nach Murches hinaufkurbelten. Hier öffnete uns Gunnar das Hoftor und wir traten ein in eine Woche „Home away from home“. Hiermit nominieren wir Gunnar sofort als einen der besten Warmshower-Hosts, die gar nicht bei Warmshowers regisitriert sind! Danke, Gunni! Herzlichen Dank auch an seinen Nachbarn, der einen Betrieb mit Aluverarbeitung hat und Katrins Gepäckträger mal eben zwei neue Löcher zur Schraubenbefestigung spendierte.

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