Viele Hügel sind der Beine Tod

25.08.-28.08.2012   Bussang – Oberotterbach: ca.6000Hm, 350km

Eins vorweg: Bezüglich des Anforderungsniveaus müssen sich die Vogesen keineswegs hinter den Alpen verstecken. Was die landschaftlichen Höhepunkte angeht, hingegen sehr wohl.
Warum ich nur einen Bericht für gleich vier Tage verfasse? Die Antwort ist nicht schwer: Die Tage ähnelten sich sehr. Es hatte durchaus interessante und reizvolle Abschnitte, insgesamt waren die Höhepunkte jedoch rar gesäht und die Stunden im Sattel von physischen und psychischen Anstrengungen geprägt.
Nachdem ich die größeren Pässe der Südvogesen mit noch richtig langen Anstiegen hinter mir gelassen habe, sind die folgenden Etappen vielmehr eine Reihung mittlerer bis kurzer Steigungen. Zu Beginn überfährt man noch reihenweise Pässe, wie den Col du Page, Ventron, Brumont, den Col de la Schlucht und den von Fouchy. Dazwischen folge ich der wunderschönen und – da Sonntag – nicht sehr stark befahrenen Route de Cretes. Überhaupt bestechen viele der kleinen und kleinsten Straßen, die die Vogesen von Süden nach Norden durchziehen durch ihre Ruhe und Beschaulichkeit. Nähert man sich jedoch der Rheinebene mit seiner berühmten elsässischen Weinstraße an, wird es verkehrsreicher und touristischer. Zahlreiche schmucke Örtchen, wie Kaysersberg oder Ribeauville locken die Besucher in Strömen, die dann leider allzu oft mit motorisierten Fahrzeugen in die Bereiche einfallen.
Der Straßenbelag ist in dieser Region oft sehr rau und uneben, was die Geräusche der überholenden Autos nur noch aggressiver macht und so hin und wieder leichte Stressreaktionen bei mir auslösen. Da bleibt eben nur die Flucht ins Landesinnere, die man sich jedoch mit zahlreichen Höhenmetern erkaufen muss. Es ist mitunter schwierig in einen Fahrrhythmus zu kommen, da Anstiege und Abfahrten oftmals schnell wechseln. Die Schaltung wird zur Höchstleistung gefordert. Immer wieder tauche ich dann ein in ausedehnte Waldlandschaften, die die Vogesenhügel bedecken. Man hört neben dem eigenen Schnaufen nur das Plätschern der Bäche, das Zwitschern der Vögel und das Rauschen des Windes. Dazu ist es angenehm kühl. Leider gibt es oft keinerlei optisches Feedback über die gewonnene Höhe. Die Oberschenkel vermelden dann die starken Steigungen, die beim Blick auf meinen Tacho gerne bestätigt werden. 8, 10 oder gar 12% sind keine Seltenheit. Auf unnötige Kehren wurde beim Straßenbau verzichtet und so muss ich ein bis zwei Kilometer lange Geraden überwinden. Das ist durchaus machmal hart. Die Passhöhe entlohnt dann bestenfalls mit einem schmucklosen Schild und verkündet stumm die erreichte Höhe. Manchmal gibt es nicht einmal einen Parkbereich mit Sitzbänken für die verdiente und erhoffte Rast, auch auf schöne Ausblicke muss ich verzichten, befinde ich mich ja zumeist mitten im Wald. Trotz der genannten Nachteile kommt für mich ein Ausweichen in die pfannkuchengleiche Rheinebene nicht in Frage. Spektakulärer wird es da auch kaum sein, dazu, das schon oben genannte Verkehrsaufkommen. Mehrmals spiele ich mit dem Gedanken, ein Stück Zug zu fahren, da mich die Hügel Stunde um Stunde mürber machen. Immerhin habe ich an dieser Stelle schon weit über 20 000 Höhenmeter in den Beinen und da ist auch der Kopf nicht mehr immer voll bei der Sache. Meine Zugpläne verwerfe ich dann aber schnell wieder, da ich einerseits Deutschland mit eigener Muskelkraft erreichen will und das Zugnetz andererseits nur mäßig ausgebaut ist und unmögliche Routen über Straßburg oder sonstwo gewählt werden müssten.
Ausnahmslos loben kann ich die Campingplätze im Elsass und in Lothringen, die mit gewohnt guter Ausstattung und sehr fairen Preisen aufwarten können. Ich beende meine Fahrtage in der Regel gegen 15 Uhr und erhole mich in meinem Isomatten-Klappsessel von den Anstrengungen des Vormittags. Die Supermärkte sind mit dem Radl schnell erreicht und so kommt das Kulinarische nicht zu kurz. Erst, als meine Gaskartusche eines Abends ihre letzten Zuckungen macht und die Ersatzkartusche wegen eines Lecks am Adapter ihren wertvollen Inhalt einfach so verströmt, muss die Küche kalt bleiben. Ein holländisches Radlerpaar hilft mir am ersten Abend mit seinem Kocher aus, damit ich meine Nudeln nicht lutschen muss. Da sich kein Nachschub auftreiben lässt, gibt an den folgenden Tagen meist Salat mit Baguette und Käse. Auch nicht das Schlechteste, zumal die Temperaturen nach einer kurzen Kaltfront mit Gewittern wieder ansteigen und der Sommer zurückkehrt.
Richtig mühsam wird dann die letzte Etappe dieser Tour auf französischem Boden bis zu unseren Bekannten in Oberotterbach. Sage und schreibe 1200 Höhenmeter sammeln sich auf den 90 Kilometern an, ohne dass ich dabei das Gefühl gehabt hätte, dabei einen wirklich großen Anstieg gefahren zu sein, vom Col due Piggeon kurz vor Wissembourg einmal abgesehen. Reichlich schmucklos kommt vielfach die landwirschaftlich geprägte Gegend mit ihren zahlreichen Gehöften und ausgedehnten Maisfeldern und Weinbergen daher. Dafür schmücken sich viele Orte, die dem Reisenden nur äußerst selten mal einen Brunnen oder gar eine Bäckerei gönnen, mit äußerst steilen Ortsein- und Ausfahrten, die gerne schnurgerade den Hang hochziehen und leicht zweistellige Prozentwerte erreichen. Da ist schon Stehvermögen gefragt, die Freude auf einen gemütlichen Abend auf dem Hof „Heldenmühle“ lässt mich aber tapfer weitertreten und so bin ich dann auch am frühen Nachmittag am Ziel, wo ich mit Hrzlichkeit, Waschmaschine, Bier, Grill und – man höre und staune – einem wirklich leckeren DEUTSCHEN Rotwein empfangen werde. Lange sitzen wir noch in der Bar und habens lustig und so fällt mit am nächsten Morgen der Abschied fast schon schwer. Aber, Katrin wird ja bald aus Island zurück sein und unsere Wiedersehen ist natürlich reichlich Motivation, meine Reise nach Holland fortzusetzen. Gerade geht es mit dem Zug nach Köln. Ich bin wirklich schon gespannt auf den berühmten Dom und natürlich auf die ersten Schlucke eines echten „Kölsch“.

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