30.09.2009 (m) – Hualong – Jishishan: 107km, 1800Hm
So nett lächelt der bärtige Bäcker, da können wir nicht widerstehen und kaufen ihm ein dickes, rundes Weißbrot ab. Und das, obwohl wir gerade in einem kleinen Restaurant zwei große Teller Nudeln verdrückt haben. Unsere gute Tat für heute.
Bis hierher, nach Xunshua, hatten wir nach langer Zeit wieder ein Raderlebnis der besonderen Art – eine ausgedehnte Abfahrt. Bei leicht bedecktem Himmel führte uns die Straße durch eine enge und steile Schlucht hinab an den Gelben Fluss. Wir brauchten ein bisschen länger, da die in allen Variationen ausgewaschenen Gesteinsformationen der Schlucht in ihren Rottönen, die zuweilen an den Grand Canyon erinnerten, immer wieder zu Fotopausen einluden. Über eine große Brücke, unter ihr der schon recht mächtige Huang He, erreichten wir Xunshua.
Wir lassen es gemütlich angehen, denn die heutige Etappe scheint kurz, überschaubar, also kein Grund zur Eile. Einige Kilometer nach der Stadt biegen wir links in die Jishi Gorge ein. Sie führt über ca.25km immer am Gelben Fluss entlang. Zunächst ist sie noch ziemlich breit, wird aber nach einiger Zeit immer schmaler, beengter und Respekt einflößender. Die Straße ist hügelig, da man immer wieder vom Fluss weg hinauf muss, um überhaupt weiterzukommen. Aber, das macht alles gar nichts aus, da die Strecke einfach fantastisch ist. An manchen Kurven scheinen die Steilwände senkrecht in den Himmel zu wachsen. Der Blick nach oben ist mit fast gymnastischen Übungen verbunden. Unterdessen hat sich die Sonne zu uns gesellt, so dass wir die Fahrt in vollen Zügen genießen. Aber, die Höhenmeter fordern ihren Tribut und so sind wir schon ein bisschen froh über das Brot des netten Bäckers. Schmeckt zwar wie aus unserer eigenen Brotmaschine, gibt aber Energie. An dieser Stelle begehe ich einen großen Fehler: da das Innere des Brotes so „massiv“ teigig ist, pule ich es heraus uns spende es an die Tierwelt. Und weiter geht’s. Hinter jeder Biegung ergeben sich neue, aufregende Blicke auf den Fluss und die Schlucht, so dass wir auch hier kaum eine Fotogelegenheit auslassen. Katrin mahnt aber zur Eile, da nach der Schlucht doch noch 30km auf uns warten. Wir rechnen aber eher mit einem flacheren ausrollen…weit gefehlt.
Eine in unserer (übrigens sehr schlechten) Karte eingezeichnete Abkürzung lässt sich nicht ausfindig machen und so müssen wir noch eine kleine Ecke fahren, ehe wir an der richtigen Abzweigung nach Jishishan sind. Und hier beginnt in meinem Kopf ein Rechenspiel. 30km und noch zweieinhalb Stunden hell, in Fahrtrichtung nichts als Berge. Hm, das könnte doch zumindest eng werden. Katrin will das gar nicht hören und mahnt zum Kampf. Also werden die Pedalmaschinen angeworfen und wir strampeln ohne Pause, sehr sportlich, bergan. Der Schweiß rinnt von der Stirn, das Wasser in die Kehle. Die Sonne senkt sich immer mehr hinter die mächtigen Gipfel zu unserer Rechten. Doch plötzlich werden aus den langen Geraden Serpentinen. Ja sowas. Schönes Abendlicht, nicht zu heiß und Kurven. Ja, das macht doch Spaß. Und so schwirren in unseren Köpfen Gedanken an eine längere Abfahrt nach der Passhöhe. Wir werden wieder mutiger und holen die Fotoapparate erneut heraus. An der vermeintlichen Passhöhe geht es auch tatsächlich bergab, nur warten danach die „Finger“. Man kann sich das Profil vorstellen, wie eine Hand auf einem Tisch. Man fährt in Querrichtung über jeden Knöchel drüber! Bis zur Stadt haben wir tatsächlich noch fünf solcher Finger vor uns! Die Landschaft ist aber so wunderbar, die Abendstimmung so toll, wir haben immer noch Spaß – obwohl sich das Tageslicht nun bereits gefährlich zurückgezogen hat. Nur das Essen wird langsam knapp. Mit ganz schlechtem Gewissen erinnere ich mich an meine Aktion in der Schlucht. Ich mach’s ja nicht wieder…An dieser Stelle kommt die Alpenliebe ins Spiel: wir haben hier Karamell-Lutschbonbons (wie Werther’s Echte) aufgetan, die „Alpenliebe“ heißen. Davon gibt es noch ein Zuckerl für jeden, damit die Kraft reicht. Mit Sonnenuntergang erreichen wir den letzten Finger, der Muezzin ruft, wir packen die Lichter aus und machen uns nachttauglich. In fast kompletter Dunkelheit rollen wir die letzten sechs Kilometer zu Tal. Kurz vor der Stadt nochmals üble Holperpiste, dann die ersten Häuser, Marktstände, Menschen. Wir tapsen ein wenig durch die spärlich beleuchteten Straßen, fragen dann nach dem Hotel und stehen wieder mal schon fast genau davor. Wie fast immer, ein ordentlicher Bau, sauber und mit warmer Dusche! Geschafft!
Zufrieden, aber etwas abgeschlagen machen wir uns auf die Suche nach einem guten Lokal, das wir auch bald finden. Mit Lamm und Rindfleischstreifen werden die hausgemachten Bandnudeln glücklich vertilgt.