04.05.2020 (k) Tateno – Unzen: 67 km, 790 Hm
Als das Wohnmobil neben uns zur Abfahrt bläst, schälen wir uns langsam aus unseren Schlafsäcken und beginnen mit der Abbauarbeit. Nur die Nachbarn im Kleinbus sind noch da und gerade mit ihrem Frühstück beschäftigt. Die Sonne – die heute schon wieder scheint, wir glauben gar nicht mehr in Japan zu sein – trocknet unsere Zeltteile schnell. Die Urlauber sind auch alle schon wieder in ihren Blechkisten unterwegs – na gut, kann ja nicht jeder ein Jahr Zeit haben und mit dem Rad fahren! Nach einigen Kilometern Abfahrt haben wir aber die Chance, die Bundesstraße zu verlassen und Nebenstraßen bis nach Kumamoto zu folgen. Tendenziell geht es hinunter, denn wir verlassen das Vulkanplateau und das Meer liegt, bekanntermaßen, auf Null. Der Hafen von Kumamoto liegt einige Kilometer westlich der Stadt, das Land ist hier flach und voller Felder oder Gewächshäuser. Wir möchten übersetzen auf die Shimabara-Halbinsel, dessen Herzstück der noch aktive Vulkan Mt. Unzen bildet. Die Dame am Ticketschalter klärt uns auf: eine Fähre in 10 Minuten, die Räder nur verpackt mitnimmt oder eine in gut eineinhalb Stunden, auf die wir draufrollen können. Ja, warum nicht mal wieder Hektik? Hatten wir heute noch nicht! Molle ist als erster fertig und macht sich als Schleppesel auf in den ersten Stock, wo es – laut Ticketdame – zur Gangway geht. Da wird er zurückgerufen: die Dame hat sich wohl geirrt. Die Fähre steht schon an einer anderen Stelle des Hafens, zu der wir nun hinhetzen müssen. Komischerweise rollen auch LKW und Autos darauf – nur wir nicht, wir schleppen. Dabei wären wir heute doch bereit gewesen den Aufpreis für unverpackte Räder zu zahlen. Muss wohl wirklich ein Irrtum der Ticketdame gewesen sein, denn auf ihren Funkspruch hin eilen zwei starke Männer herbei, die uns helfen unser Zeug auf die Fähre zu verfrachten. Kurz darauf legt diese auch schon ab. Zur Erholung brühen wir uns in Ruhe eine Udon-Suppe auf und blicken von unserer weißen Holzbank vom Deck auf die Küsten beider Seiten, die im Dunst fast nicht zu sehen sind. Eine Stunde dauert die Fahrt und wir stehen in Shirahama – einem „Hot Spring Mekka“. Wir geben uns nicht der Verlockung hin, hier schon im heißen Wasser abzuschlaffen, sondern gehen tapfer den Anstieg nach Unzen an, einem Kurort auf 750 Metern Höhe am Vulkan. Mittlerweile hat sich Molles Wunsch erfüllt und es ist sommerlich warm. So warm, dass er zugibt, dass es ihm auch schon fast zu heiß sei. Na so was! Ändern können wir eh nichts und so schwitzen wir uns eben nach oben. Überraschenderweise geht es hier wesentlich ruhiger zu als im Aso-Gebiet. Den Verkehr hätten wir viel schlimmer erwartet, eher so ameisenmäßig wie gestern. Da bin ich mir ja vorgekommen wie auf einer gemischten Ameisenstraße. Wir waren die kleinen roten, die so fies pinkeln und nicht so schnell vorankommen. Dann gab es die etwas größere, laute aber lässige Spezies auf zwei Rädern, die meistens ziemlich lange Fühler ausstreckte. Auf manchen stand „Harley“ oder aber sie machten einen auf Mimikry. Dann stand da „Yamaha“. Ständig überholt wurden wir von den Waldameisen mit Namen wie „Latte“, „Voxy“, „ Fizz“ oder weniger modernen wie „Passat“ oder „Corolla“. Einmal hat sich auch ein Hummer auf unsere Straße verirrt, ein Glück, dass der schnell weg war. Froh sein konnten wir, dass die Termiten wegen des Urlaubs nichts zu transportieren hatten und daher kaum unterwegs waren. Sonst wäre es wirklich stressig geworden. Trotzdem war es anstrengend, sich auf seinen Teil des Weges zu konzentrieren und wir sind daher froh, dass die Auffahrt hier nicht einer Ameisenstraße gleicht. Die Mühen werden belohnt mit Ausblicken auf den Berg und einem Ort, der zu einem Großteil aus Blubberlöchern besteht. Überall stößt kochendes Wasser an die Erdoberfläche und bildet einen Dampf, der sich mit seinem schwefeligen Duft über den Häusern verteilt. Sieht malerisch aus. Im Ort finden sich fast nur Hotels, die eigene Onsen haben. Das öffentliche Badehaus, das wir auserkoren haben, liegt einen Kilometer außerhalb, bergab. Es ist nicht besonders groß, aber es versprüht durch seine alte Holzbauweise einen nostalgischen Charme. Zwei runde Badegebäude (für Männlein und Weiblein) sind über eine Haupthaus verbunden, in dem man danach auf Tatamimatten sitzen kann. Um 21 Uhr schließt es und wir begeben uns nach kurzer Suche auf einen leerstehenden kleinen Parkplatz in der Nähe. Ist zwar kein besonders idyllischer Platz, erfüllt aber für diese Nacht wohl seinen Zweck. Die Bewohner der angrenzenden Häuser scheinen sowieso nicht da zu sein und so gehen wir auch Recht in der Annahme, dass wir niemanden stören. Das Abendessen entfällt, da wir im Anstieg noch eine Suppenrunde gegen Unterzucker eingelegt haben und daher keinen Hunger verspüren.