Alhambra – ein Wort – ein Mythos. Da wollte ich „immer schon“ hin, ohne immer schon zu wissen, was die Alhambra eigentlich genau ist.
Arabisch jedenfalls – und zauberhaft.
Ich war sehr glücklich darüber, dass Molle Tickets online ergattert hat, was nicht selbstverständlich ist, denn häufig ist alles ausverkauft. Wir mussten dadurch nur einen Tag warten – hätte er nicht so vorausschauend agiert vor ein paar Tagen, hätte es für mindestens 6 weitere Tage keine Tickets mehr gegeben.
So hatten wir jedenfalls genug Zeit, den Rest von Granada in Ruhe mit dem Fahrrad zu erkunden und dann am Mittwoch die Muße für die Alhambra – die Festung über der Stadt.
Die Alhambra besteht aus verschiedenen Bereichen, mehr dazu hier. Die äußeren Anlagen und der Blick auf die Stadt hinterlassen bereits großen Eindruck:
Sehr schade, dass Karl der V. sich unbedingt in der Alhambra einen Palast bauen lassen musste und dafür Teile der Naṣridenpaläste abgerissen wurden. Der Bau des Rennaissance-Schlosses aber wurde nie fertiggestellt, und er hat auch nie dort gelebt. Eine beeindruckende Demonstration von Macht, finde ich:
Betritt man die Nasriden-Paläste offenbart sich der arabische Zauber …
… besonders auch im kleinsten Detail:
Der arabische Einfluss ist nicht nur auf historische Bauwerke beschränkt, auch kulinarisch findet sich viel „Arabe“. Die Restaurants und Shawarma-Buden in der Calle Elvira, die sich vom Tor „Puerta de Elvira“ südwärts erstreckt, tragen Namen wie „La Puerta de Siria“, „Shawarma King“, „Falafel Al Habian“, „Sultan“, „Bagdad“, „Palästine“, … von Syrien bis Marokko, von Bagdad bis Beirut – alles vertreten. Kulinarischer Panarabismus! Klar, dass wir das ausnutzten.
Die Glatze der Sierra Nevada war wie bereits erwähnt schon mit Schnee bedeckt, so wunderte es nicht, dass in der Stadt der Weihnachtsmarkt lockte, die „Snow City“ aufgebaut war und im Café neben einem Menschen in Skiklamotten saßen oder einer mit dem Snowboard unter dem Arm vorbeilief.
Aber auch tapfere Rennradfahrer ware nicht wenige zu sehen. Überdimensionale Krippenaufbauten sind auch so ein typisches Ding in Spanien. In vielen Orten konnten wir die Krippen oder besser gesagt die Nachstellung historischer Geschichten und biblischer Landschaften in Miniaturform erblicken. Hier in Granada hatten sich Studenten einer christlichen Bruderschaft an Playmobilfiguren versucht.
Granada empfanden wir als angenehme Stadt, zum Radfahren auch einigermaßen gut ausgebaut und mit interessanten Vierteln auch außerhalb des touristischen Zentrums. Da unser Hotel „Abades“ eher außerhalb lag, konnten wir wieder Kneipen und Restaurants besuchen, zu denen man normalerweise nicht hinkommen würde, hätte man ein Zimmer im Zentrum. Wir mögen das sehr.
Ein „media distancia“ Zug brachte uns tags darauf nach Almería.
Eine äußerst beeindruckende, zweistündige Zugfahrt, bei der man sich die Nase an der Scheibe plattdrückte und dazu geneigt war, ständig unscharfe Fotos durchs Zugfenster zu schießen, anstatt einfach zu genießen. Zunächst tangiert die Zugstrecke die Sierra Nevada in gebührendem Abstand nördlich nach Osten und knickt vor Guadix nach Südosten ab. Auf der Hochebene um Guadix bewunderten wir Höhlenwohnungen, die in Kalktuff- und Lössgestein-Formationen geschlagen sind. Das ganze Gebiet sieht bizarr und märchenhaft aus mit seinen Spitzchen und Zipfeln.
Im weiteren Verlauf durchquert die Zugstrecke einen Teil der einzigen Wüste Europas, der Sierra de Alhamilla. Mit 150 mm Niederschlag pro Jahr das trockenste Gebiet Spaniens. In der 30 km nördlich von Almería gelegenen Desierto de Tabernas wurden viele Western gedreht. Kurz überlegen wir, am nächsten Tag mit einem Auto eine Runde zu den Schauplätzen zu drehen, doch der angekündigte (und dann tatsächlich einsetzende) Starkregen (im trockensten Ort Spaniens) ließ diese Pläne Pläne sein. Almería ist bei uns ja vor allem dadurch bekannt, dass man auf dem Supermarkgemüse diesen Ort als Herkunftsbezeichnung zu lesen bekommt. Von Norden kommend im Zug, im Wüstengebiet, waren nur vereinzelte Gewächshausansammlungen zu sehen. Das größte Anbaugebiet liegt westlich um die Stadt El Ejido. Das gigantische Planenmeer kann man auf Satellitenbildern sehr gut erkennen. Auch auf unserer Weiterfahrt ab Almería sollten wir sspäter noch viele Anbaubereiche sehen – vor allem Salatanbau im Freien, aber auch Gewächshäuser mit Tomaten, Zitronen, und anderem. Allerdings nicht in so zusammenhängender, riesiger Fläche.
Denkt ihr auch, spanisches Gemüse ist „böse“ und voller Pestizide? Dann empfehlen wir diese interessante Lektüre. Das Problem mit der Ausbeutung von Migranten als billige Arbeitskräfte besteht natürlich auch hier.
Wir blieben einen extra Tag in Almería aufgrund der Wetterprognosen, die sich bewahrheiten sollten. Bis zum frühen Nachmittag bekamen wir noch die Gelegenheit, die Stadt mit dem Rad zu erkunden. Wir wollten das unterirdische Bunker- und Versorgungssytem besichtigen (die Refugios de Almería), das im spanischen Bürgerkrieg 1938 gebaut worden war, um Teile der Bevölkerung der Stadt vor den Bomben zu schützen. Doch, es gab keine Tickets mehr – erst wieder in 4 Tagen. Schade. Es ist mittlerweile so, dass man am besten alles Wochen vorher online bucht, aber auf einer Radreise lässt sich das kaum machen. Man weiß ja gar nicht genau, wann man wo sein wird. Und auch auf einer Reise ohne Fahrrad verlöre man dadurch sehr viel Spontaneität. Dann verlegten wir unsere Besichtigung eben zuerst auf das Gitarrenmuseum und dann auf die Alcazaba (die maurische Festung über der Stadt) – auch eine Schutzanlage, aber aus einer anderen Zeit.
Die Alcazaba de Amería war einst die größte Festung, die die Mauren auf der Iberischen Halbinsel errichtet hatten. Sie wurde im 10. Jahrhundert gebaut und besteht aus mehreren Burgbezirken. Einige Bereiche wurden bereits restauriert, in anderen braucht man mehr Imaginationsfähigkeit, dort werden in den Ruinen Ausgrabungen durchgeführt. Während der Blütezeit des Kalifats von Al-Ándalus zwischen dem achten und dem fünfzehnten Jahrhundert, war Almeria bereits ein bedeutender Hafen. Schiffe kamen aus allen Regionen des Mittelmeers, um hier Handel zu treiben. Doch in der Burganlage sieht man auch den Wandel der Herrscherzeiten – ein Palast im oberen Bereich stammt aus der Zeit der christlichen Herrscher.
Eine Mauer über das Tal hinweg führt zu den auf einem gegenüber liegenden Hügel Ruinen der Tempelritterburg. Durch diese Verbindung der Muralla de Jayrán wurde das gesamte Tal vor Angriffen geschützt.
In der Al-Medina – dem unterhalb der Festung gelegenen, bereits sehr nordafrikanisch anmutenden Altstadtteil (mit engen alten Gassen, die vom maurischen Erbe Andalusiens zeugen) setzten wir uns bei einem marokkanischen Lokal, das trotz „low season“ geöffnet hatte, in einer engen Gasse auf die kleine Terrasse und durften „Immas“ (Mamas) Wintergericht (Erbsensuppe) sowie ein paar weitere Leckereien genießen.
Der Starkregen geleitete uns zurück ins Hotel – vorbei am industriehistorischen Denkmal „El Cable Ingles“.
Bald konnten wir im Hotel die ersten Sirenen hören, von Überschwemmungen auf Straßen und Unterführungen im Internet lesen und froh sein, nicht weitergeradelt zu sein. Mit den schnell ankommenden Wassermassen können die Orte in Südspanien nicht umgehen. Extrem schnell sammelt sich das Wasser auch schon nach für uns gefühlt kurzen Regenfällen auf der Straße. Mir fällt auf, dass eigentlich nirgends Gullis sind. Bei uns finden die sich ja alle paar Zehnermeter. Klar, dass da nichts ablaufen kann, wenn es keine solche Kanalisation gibt.