18.09.2009 (m) – Zhangye – Minle: 67km, 850Hm
Ha, 65km stehen nur auf dem Programm. Nach den langen Fahrten auf der Seidenstraße ja nur ein Katzensprung. Wir gönnen uns eine Mütze mehr Schlaf und gehen ins Aili zum Frühstücken. Es öffnet um 8.30 Uhr und genau dann stehen wir auf der Matte. Gerade wird noch das Licht in den Auslagen eingeschaltet und die Kaffeemaschine läuft sich warm. Wir geben schnell unsere Bestellung auf und nehmen Platz. Was ist denn nun? Die gesamte Belegschaft stellt sich im Halbkreis im Geschäft auf, die Chefin hält (dem Tonfall nach) eine scharfe Ansprache. Eines der Mädels hat keine sauberen Fingernägel und wird nach Hause geschickt. So läuft das hier! Muss ich mir mal ein Scheibchen für die Schule abschneiden…Dann werden noch Motivationssprüche und Klatschrhythmen zum Besten gegeben und der Arbeitstag beginnt.
Durch schmale und holprige Nebenstraßen bahnen wir uns den Weg aus der Stadt. Haben wir uns die letzten Tage noch gefragt, wo denn in der Innenstadt das ganze handwerkliche Gewerbe abgeblieben ist, so wissen wir es jetzt. Asien pur! Besonders beeindruckend – wie immer – die Metzger-Meile. Sauber aufgereiht eine Sau, eine Rinderhälfte, eine Huhn neben dem Anderen. Wer braucht einen Kühlschrank? Sollte halt schnell gegessen werden.
Über die gewohnt langen Geraden kurbeln wir immer aufwärts Richtung Minle. Die Steigung hält sich in Grenzen, der Verkehr auch, landschaftlich ist’s gefällig, die Sonne scheint – alles Zutaten für eine gemütliche Etappe. Und so sind wir dann auch gegen 15 Uhr vor den Toren der Stadt. Ein Mofa überholt mich, wird langsamer, bremst ab. Ich fahre vorbei, ein freundliches „Hello!“. Im Rückspiegel sehe ich, dass der Mann die Fahrt wieder aufnimmt und neben Katrin herfährt. Als sie mich eingeholt haben, bemerke ich das gute Englisch des Mofafahrers. Wir quatschen ein wenig, als wir so auf Minle zufahren. Schließlich bittet Bruce (so sein englischer Name) uns für einen „rest“ zu sich nach Hause. Kurz nach dem Ortseingang biegen wir scharf rechts ab, fahren durch ein Tor und halten an einem Lebensmittel-Geschäftchen. Er kauft noch eine zwei Liter Pulle Cola und allerhand Süßes. Wir kurven durch ein paar Wohnblocks und machen vor einem großen Mietshaus halt. Durch ein schmales Treppenhaus ganz aus Beton erreichen wir die Wohnungstür im dritten Stock. Seine Mutter und seine Frau nehmen uns gleich die Sachen ab und bitten uns ins Wohnzimmer, das überraschend „normal“ aussieht. Ein schweres Sofa ist auf den obligatorischen Fernseher ausgerichtet, ein Sofatisch mit allerlei Knabbereien und Obst. Wir werden gut mit Getränken – Cola, Tee, Bier – und Essbarem versorgt. Wir sprechen ein wenig über das Leben in Deutschland und China, bis Bruce weg muss, da er noch ein Meeting hat. Wir tauschen noch ein paar Geschenke aus (Bilder, Taschenmesser, Kartenspiel…) und laden dann unter großem Staunen der Mutter all unsere Sachen wieder auf die Räder. Bruce bringt uns mit seinem Mofa noch eben zum besten Hotel der Stadt und klärt den Preis ab, ehe er sich freudestrahlend und winkend verabschiedet.
Nach einer heißen Dusche (erst ab 18 Uhr, vorher Bergwasser…) essen wir in einem kleinen Restaurant (mala mala) zu Abend. Aus einem großen Kühlschrank wählt man Spießchen, gibt sie in der Küche ab, dort werden sie gegart und man erhält das Ganze mit Nudeln und einer scharfen Sauce zurück. Der Verdauungsspaziergang führt uns über den Marktplatz, wo wieder fitnessbegeisterte Frauen und eine besondere Gesangsvorführung (grenzt an Körperverletzung) zu bestaunen sind.