31.05.2010 (k) Jinshanling – Miyun: 71 km, 300 Hm
Der große Vorteil an diesem Courtyard-Hotel ist die Ruhe. Dadurch , dass wir einen eigenen „Bungalow“ mit Garten haben, sehen und hören wir von niemandem etwas. Gäbe es hier mehr zu tun, könnte man gerade noch bleiben. Aber wir haben die Mauer gesehen und sonst ist hier nichts. Wir haben für heute eine große Nudelsuppe als Frühstück geordert und sind damit gut bedient. Vier Kilometer düsen wir zurück zur Hauptstraße G 101 und biegen dort Richtung Peking ein. Mit Rückenwind geht es zügig dahin, zudem ist es flach. Die Straße ist allerdings recht stark befahren und so kommt es uns gelegen, dass wir nach gut der Hälfte der Strecke eine Alternative nahe des Miyun-Reservoirs wählen können. Sobald wir die LKW und Busse hinter uns gelassen haben, empfinden wir ein anderes Fahrgefühl. Die kleine Straße ist weitgehend als Allee angelegt, mit großgewachsenen, engblättrigen Bäumen. Wir kommen uns vor wie im Frühsommertrainingslager in der Toskana. Ab und an erhaschen wir einen Blick auf das Reservoir – den größten Trinkwasserspeicher für Peking. Eine Straße, die am Damm entlang führen sollte, ist allerdings nicht durchgängig, was uns einen kurzen Extraweg beschert. Als wir das nächstmögliche Sträßchen zum See einschlagen, biegen wir fälschlicherweise zu früh auf eine neue Straße ein, die uns an einem ausgetrockneten Kanal entlangführt. Durch den Rückenwind sind wir so schnell, dass wir ohne es zu merken an unserer geplanten Route vorbeiflitzen. Als wir 12 Kilometer vor Miyun wieder auf die Hauptstraße treffen sind wir auch zufrieden, zumal diese jetzt sehr gut ausgebaut ist und wir auf dem Seitenstreifen zu viert nebeneinander fahren könnten, wenn wir nicht allein hier wären. Gegen 14 Uhr sind wir schon in der Stadt, doch es dauert eine Weile, bis wir sämtliche Straßen nach Hotels abgescannt haben. Leider gibt es nur ein paar große Hotelbunker, die alle nicht sehr einladend oder aber teuer wirken. Kein neues, kleines Hotel zu finden. Letztlich entscheiden wir uns für eines, das einen mittelmäßigen Preis und eine ebensolche Ausstattung liefert. Es gibt zwar sogar ein Internetkabel, das aus der Wand hängt, doch hat wahrscheinlich schon lange keiner mehr geprüft, ob da auch das rauskommt, was drin ist. Es funktioniert jedenfalls nicht. Aber wir unterlassen es, Meldung an die Mädels an der Rezeption zu geben, denn sie würden sowieso nichts kapieren. Das schließen wir aus folgender skurrilen Situation beim Einchecken. Zuerst wird mir ein Zimmer gezeigt. Nachdem ich den Preis ausgehandelt habe, hole ich Molle und die Sachen und wir bringen kurz die Räder in den Hinterhof, um sie abzuschließen. Als wir zur Rezeption zurückkommen, um unser Pässe abzugeben und die Formalitäten zu erledigen, eröffnet uns die einzig verbliebene junge Dame in rot bedauernd, dass sie heute leider kein Zimmer hat. Ich kann es nicht fassen. Ich erkläre ihr, dass ich gerade (bei ihrer Kollegin) zwei Zimmer angesehen habe und es wohl nicht sein kann, dass die jetzt voll sind. Sie bleibt dabei. „Mei you fangdian“. Mit einer anderen Frau, deren Rolle mir nicht ganz klar ist, bespricht sie sich noch halblaut, beide meinen dann, wir sollten doch im Hotel nebenan fragen. Über der Straße steht ein riesiges „International Hotel“, dessen Preis wir gar nicht zu erfragen brauchen. Ich mache ihr klar, dass ich überzeugt bin, dass sie noch Zimmer haben (mindestens 130!) und dass uns auch ein Einzelzimmer genügen würde. Endlich kommen noch zwei andere Rezeptionsmädels zurück, unter anderem die, bei der ich zuerst gefragt hatte. Mit Unverständnis im Gesicht spreche ich sie auf die vermeintlichen Fakten an – doch auch ihre Antwort lautet: „Mei you fangdian“. Wir sind schon etwas angenervt und haben vor allem keine Lust, jetzt nochmal loszuziehen, zumal uns klar ist, dass das Hotel nicht voll ist. Ich frage, ob sie vielleicht keine Ausländer mögen – das wird stürmisch zurückgewiesen. Irgendwann heißt es dann „huzhao!“ (Ausweis!). Ah, da bewegt sich was! Doch jetzt geht der Spaß erst los. Eine gute halbe Stunde lang durchkämmen die drei Mädels unsere Pässe, glotzen jedes Visum an, versuchen die Stempel zu entziffern, unsere Daten zu entnehmen. Geduldig zeige ich ihnen immer wieder das aktuelle chinesische Visum und den Einreisestempel, doch in ihrem Kopiereifer blättern sie immer wieder wild herum. Jetzt haben die Pässe so lange gehalten, die drei schaffen es fast noch, sie zu zerfleddern!
Als sie dann fast jede Seite abgelichtet haben und wir unsere Formulare ausgefüllt und bezahlt haben, bekommen wir den Zimmerschlüssel. Das war mit Abstand der längste Check-In unserer Reise. Klar, dass sie ganz einfach keine Lust hatten, auf den Kram. Sie hätten sich aber auch nicht so superblöd anstellen müssen. Irgendwie hat man das Gefühl, im Großraum Peking nicht mehr ganz so willkommen zu sein. Zumindest was die Hotels betrifft. „Avoid the East“ hat uns ein holländischer Fernradler in Laos mal geraten, als wir über China redeten. Sollte das etwa stimmen? Er meinte dabei aber eher den Verkehr, glaube ich. Wahrscheinlich sind wir von unseren bisherigen Erfahrungen im Westen und Süden einfach sehr verwöhnt. So leicht lassen wir uns nicht abschrecken. Peking ist zwar zum Greifen nahe (noch 67 Kilometer von hier), doch wir werden noch 7 Tage in gebührendem Abstand durchs Hinterland treten und weiter prüfen, wie es mit der chinesischen Gastfreundlichkeit der Hotels hier steht.